Der Ballast der Partei

Ein Mann hält eine Rede vor dem SPÖ-Logo auf einer Bühne.
Einst waren Parteien eine Art Zuhause für ihre Mitglieder. Nun verlieren sie an Bedeutung zugunsten politischer Ich-AGs mit eigener Agenda.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

„Ohne Partei bin ich nichts“, hat ein bekannter burgenländischer Sozialdemokrat einmal gesagt, und es war nicht Hans Peter Doskozil. Dem werfen ja viele vor, die SPÖ mit seinen ständigen Querschüssen auf die Vorsitzende und seinem jetzt unverhohlenen Drang an die Spitze schwer beschädigt zu haben.

Einem Fred Sinowatz, von dem das Zitat stammt, wäre das nicht passiert. Nicht nur, weil er vor 40 Jahren nach dem Abgang des alles und alle überschattenden Bruno Kreisky eher widerstrebend und demütig an die Parteispitze und ins Kanzleramt kam (und dort durchaus sehr ruppig agieren konnte). Sondern weil die Zeit eine andere war. Und der Stellenwert einer Partei auch.

In der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts war „die Partei“ eine Art Zuhause. Als Mitglied erhoffte man sich Vorteile. Das SPÖ-Mitglied eine (Gemeinde-)Wohnung, das ÖVP-Mitglied berufliche Chancen. Der Kontakt war ein dichter. Der rote Parteikassier ging von Tür zu Tür und hielt die Schäfchen bei der (ideologischen) Stange, die schwarzen Bünde taten das bei ihren Mitgliedern. Und apropos Ideologie: Das unversöhnliche Lagerdenken zwischen links und rechts, an dem die Republik bis heute leidet, wurde von den Großparteien zelebriert (die FPÖ wieder hatte immer schon den Hautgout der Ewiggestrigen).

Dann kamen neue Parteien hinzu, die Welt drehte sich schneller, die Menschen wurden selbstständiger und entfesselten sich der Parteienhörigkeit. (Dass nun ein paar Tausend wieder zur SPÖ strömen, ist ja nur dem Schaukampf an der Spitze geschuldet).

Übrig blieben (Groß-)Parteien, die sich nicht mit ihren dramatisch weniger werdenden Mitgliedern beschäftigten, sondern, ohne verallgemeinern zu wollen, mit sich selbst und dem Wohl ihrer Funktionäre. Die sich zu Propagandamaschinen entwickelten. Zum Werkel hinter ihren Spitzenkandidaten. Und die dann die Abkehr ihrer Spitzen erleben mussten: Sebastian Kurz ließ die klassische ÖVP hinter sich und gründete die türkise Bewegung, Emmanuel Macron ließ Sozialisten Sozialisten zugunsten von „En marche“ sein – Parteien wurden zum Klotz (Sanna Marin würde in Finnland am Sonntag laut Umfragen haushoch siegen, wäre da nicht ihre Partei).

Überhaupt entsteht gerade ein Politikertyp, der Parteien ideologisch entkernt oder als Ballast abwirft, sich Populistisches von links und rechts „ausborgt“, einen Bauchladen für alle hat: Die linke Sahra Wagenknecht in Deutschland, Hans Peter Doskozil hier – sozial links, beim Asyl rechts, volatil nach Bedarf, da kann keine Partei mit. Orientierung (es gibt auch eine abseits von Lagerdenken) bringt das nicht; kurzzeitigen Applaus vielleicht.

„Ich bin, und dann erst die Partei“ würde das eingangs zitierte Zitat wohl heute lauten. Fred Sinowatz hätte es nie so in den Mund genommen.

Porträt eines Mannes mit Brille und blauem Sakko vor dem Schriftzug „Kurier Kommentar“.

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