Frankreich-Deutschland: Der Achse fehlt ein Rad

Frankreich-Deutschland: Der Achse fehlt ein Rad
Die deutsch-französische Freundschaft feiert Jubiläum – die Kraft, die davon für Europa ausging, ist verpufft. Ein Problem heißt Olaf Scholz
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Der Rahmen könnte festlicher nicht sein, der Anlass nicht gewichtiger: Im Pariser Élysée-Palast wird am Sonntag das 60-jährige Bestehen der französisch-deutschen Freundschaft gefeiert, der berühmten „Achse“, die Charles de Gaulle und Konrad Adenauer per Élysée-Vertrag und Umarmung besiegelt haben.

Aus den Feinden von einst wurden die Baumeister eines neuen Europa: Valéry Giscard d’Estaing und der visionäre Helmut Schmidt schufen später die Grundlagen für die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion. François Mitterrand und Helmut Kohl trieben die Verträge von Maastricht zur heutigen Europäischen Union voran. Chirac und Schröder, ja selbst die Sarkozys und Hollandes an der Seite der ewigen Angela Merkel hatten ein gemeinsames Gewicht.

Und eine Orientierung, die da hieß: Europa voranbringen, Europa leben, auch wenn es immer Eigeninteressen in Paris und in Bonn respektive Berlin gab. Auch wenn sich die Achse manchmal nicht so recht drehen wollte, wenn es um Schulden oder europa-außenpolitische Fragen ging.

Am Sonntag werden Emmanuel Macron und Olaf Scholz die Umarmung wiederholen – aber welche Achse feiern sie? Eine Achse funktioniert nur mit zwei Rädern an deren Enden. Das am deutschen Ende ist irgendwie weggefallen.

Das liegt auch an den unterschiedlichen Charakteren des Emmanuel Macron und des Olaf Scholz. Der eine ist Macher, schnell, mit oft auch über das Ziel hinausschießenden (und zugegeben selten eingelösten) Ideen für Europa – aber Macron will etwas. Der andere ist Schläfer, hauptberuflich zaudernd und langsam, was man Merkel manchmal schon vorwarf, aber er hat es „perfektioniert“ – schon was Scholz für Deutschland will, ist nicht wirklich ausmachbar, aber für Europa?

Und in der Achse knirscht es mehr, als dass sie geschmiert wäre: Beim von Paris gepushten Gaspreisdeckel zickte Deutschland monatelang herum; bei den Waffen an die Ukraine zappelte Olaf Scholz den Franzosen hinterher, die mit ihren Spähpanzern vorpreschten; mit seinem Kampf gegen den US-Protektionismus und die Subventions-Wettbewerbsverzerrung ist Paris relativ allein, von Berlin allein gelassen. Dort ist man froh, wenn der Kanzler den Austausch einer Verteidigungsministerin, für Europa auch nicht unwichtig, unfallfrei bewältigt.

In Nordeuropa gibt es junge Regierungschefs und -chefinnen, die ihr Gewicht noch nicht in die europäische Waagschale geworfen haben; von Warschau über Budapest bis Rom gibt es Lenker, für die Europa keine Idee mehr ist, außer wenn’s um Geld aus Brüssel geht. Da bräuchte es die deutsch-französische Achse dringender denn je – und Emmanuel Macron oder sonst jemanden, der nach der Feststimmung am Sonntag im Élysée den deutschen Kanzler wachrüttelt.

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