Defizite, wohin man schaut
Wer sich noch an die düsteren Zeiten der Corona-Pandemie zurückerinnern kann, dürfte in den vergangenen Wochen ein Déjà-vu gehabt haben. Mit dem Unterschied, dass es diesmal nicht um Impf- und Infektionsraten, sondern um die kaum weniger ernüchternden Budgetzahlen geht: Das Defizit dürfte noch einmal kräftig von 4,5 auf 4,9 Prozent steigen – verantwortlich will aber keiner dafür sein: Bund und Länder versuchen sich vielmehr gegenseitig den Schwarzen Peter zuzuschieben, wobei im Zweifelsfall auch das alte Match Wien gegen den Rest der Republik wiederbelebt wird. Begünstigt wird dieses Ringelspiel der gegenseitigen Schuldzuweisungen – auch hier eine Parallele zur Pandemie – durch das Fehlen belastbarer Budgetdaten, die für alle Beteiligten außer Streit stehen.
Doch nicht einmal die seit bald einem Jahr amtierende Dreierkoalition ist imstande, an einem Strang zu ziehen: Nur noch wenig ist übrig von der bei Regierungsantritt im März beschworenen Einigkeit und vom „Leben und leben lassen“, das die drei so ungleichen Partner als Prinzip für ihre Zusammenarbeit ausgegeben haben. Denn kaum ein Tag vergeht ohne mehr oder weniger subtile Fouls der Koalitionspartner untereinander, vor allem auf der kommunikativen Ebene: Da prescht etwa der Neos-Klubobmann Yannick Shetty am Montag im ORF-Radio vor, um eine Einigung beim Strommarktgesetz zu verkünden, ohne sich mit dem zuständigen Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) abzustimmen. Da setzt die Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP) ihren Pressetermin zum Integrationspaket just an jenem Vormittag an, an dem auch Bildungsminister Christoph Wiederkehr (Neos) seine Bildungsreform präsentiert.
Dafür wirken die allwöchentlichen gemeinsamen Auftritte nach dem Ministerrat mehr und mehr wie eine lustlose Pflichtübung, als der Versuch, eine gemeinsame Erzählung unter die Bevölkerung zu bringen. Nicht selten nutzen einzelne Minister selbst dieses Forum für eigenmächtige Ausritte, die so gar nicht ins Drehbuch passen.
Offenbar ist der Ernst der Lage auf finanz- und wirtschaftspolitischer Ebene noch nicht groß genug. Ansonsten würden die Beteiligten auf solche Profilierungsversuche auf Kosten der eigenen Regierungspartner wohl eher verzichten. Zumal sie nicht einmal auf das eigene Parteikonto einzahlen, sondern nur das Bild einer Regierung verfestigen, die sich allzu oft selbst im Weg steht, wenn es darum geht, vorzeigbare Projekte auf Schiene zu bringen.
Dass allen drei Parteien augenscheinlich starke Führungskräfte fehlen, macht die Sache nicht einfacher. Und so ist es einmal mehr nur die stärkste Oppositionspartei, die Profit schlägt. Wie es auch in der Pandemie war.
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