Das 1,8-Billionen-EU-Budget: Rechtsstaatlichkeit ist unumgänglich
Vergangenen Donnerstag konnten die Staats- und Regierungschefs der EU den Finanzrahmen 2021 bis 2027 und den Wiederaufbaufonds wieder nicht verabschieden: Nach wie vor blockieren Polen und Ungarn eine Einigung, weil sie dagegen sind,
die Auszahlung von EU-Mitteln an die Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu knüpfen. Mitte Dezember muss also eine weitere Verhandlungsrunde gedreht werden.
Und die Umsetzung dringend benötigter Programme zur Bewältigung der sozialen und ökonomischen Folgen der Corona-Krise sowie großer langfristiger Herausforderungen, insbesondere durch Klimawandel und Digitalisierung, wird sich weiter verzögern.
Sicherlich könnte der Beitrag des EU-Finanzrahmens zu einer zukunftsfähigen EU-Politik größer sein, als die derzeitigen Pläne vorsehen. So wird zwar der Anteil der Agrarpolitik an den Gesamtausgaben sinken, aber dennoch immer noch dreißig Prozent betragen – und energische Schritte zur dringend benötigten Ökologisierung sind nicht erkennbar. Gleichzeitig wäre eine deutlichere Aufstockung der Forschungsmittel erforderlich gewesen. Ebenso wie eine noch stärkere Anhebung des Anteils der Gesamtausgaben, der für den Klimaschutz verwendet werden muss: über die geplante Erhöhung von derzeit zwanzig auf dreißig Prozent hinaus. Und schließlich bleibt der Finanzrahmen trotz steigender Herausforderungen mit gut einem Prozent der Wirtschaftsleistung praktisch konstant.
Bemerkenswertes Projekt
Dennoch ist die geplante Kombination aus EU-Budget und Wiederaufbaufonds ein bemerkenswertes Projekt. Und das nicht nur deshalb, weil der 750 Milliarden Euro schwere Wiederaufbaufonds durch Schulden der EU finanziert werden soll. Mit den Ausgaben und Reformen, die unter dem Wiederaufbaufonds finanziert werden sollen, sollen nicht nur kurzfristige Wirtschaftsimpulse gesetzt, sondern gleichzeitig Klimaschutz und Digitalisierung gefördert werden.
Geradezu historisch ist die Einigung auf einen Fahrplan zur Einführung innovativer Eigenmittel. Sie sollen zur Rückzahlung der EU-Schulden verwendet werden, um einen Anstieg der nationalen EU-Beiträge zu vermeiden oder wenigstens zu begrenzen. So würde endlich auch das Eigenmittelsystem der EU wichtige Ziele und Strategien der EU unterstützen: Der geplante Grenzausgleichsmechanismus könnte bei steigenden Preisen in der EU die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie schützen. Eine Digitalsteuer und ein auf einer harmonisierten Körperschaftsteuerbemessungsgrundlage basierendes Eigenmittel könnten Bausteine einer fairen Unternehmensbesteuerung sein. Nicht zuletzt ist der Gesamtumfang der vorgesehenen EU-Finanzmittel mit insgesamt 1,8 Billionen Euro beachtlich.
Schon rein aus ökonomischen Gründen müssen daher die übrigen EU-Staaten ebenso wie das EU-Parlament auch gegen den Widerstand Ungarns und Polens – übrigens die in absoluten Zahlen größten Nettoempfänger der laufenden Finanzperiode – auf dem Rechtsstaatlichkeitsprinzip beharren: Denn ein effizienter Mitteleinsatz erfordert die Einhaltung rechtsstaatlicher Standards.
Margit Schratzenstaller ist Ökonomin mit den Schwerpunkten Makroökonomie und europäische Wirtschaftspolitik am Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO.
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