Clubkultur: Lösungen abseits von Verboten

Clubkultur: Lösungen abseits von Verboten
Man sollte in Zukunft auf „Safer Partying“ setzen, meint Gerald Wenschitz, Techno-Aktivist und Gründer der Veranstaltungsreihe Meat Market.

Die Bars der Hauptstadt sind gut gefüllt. Unter den Brücken am Stadtrand toben illegale Raves. Nach der Sperrstunde feiert man in Privatwohnungen oder an öffentlichen Plätzen. Das alles findet ohne Kontakt-Tracing, Abstand und Masken statt. Die Politik reagiert darauf wie die berühmten drei Affen: Wir sehen nichts, wir hören nichts, wir sagen nichts. Es ist die feigste und auch die unwirksamste Art, Politik zu machen. Man verbietet Dinge, die man nicht verhindern kann. Damit kauft man sich eine weiße Weste. Dass man damit nichts löst, sondern im Gegenteil kontraproduktiv handelt, weiß man aus vielen anderen Bereichen.

In einer aufgeklärten Gesellschaft müsste es Konsens sein: Menschen sind soziale Wesen. Man kann das Feiern nicht verbieten. Daher muss man auf „Safer Partying“ setzen. Clubs und Diskotheken leisten nämlich einen wichtigen Beitrag zum sozialen Wohlbefinden. Sie befriedigen ein grundlegendes Bedürfnis und haben sich in den letzten Jahrzehnten – zumindest in Teilbereichen – zu Kunst- und Kulturbetrieben entwickelt. Gerade für marginalisierte Gruppen (wie z. B. LGBTIQ+, Menschen mit Migrationshintergrund, etc.) bieten sie oft Safer Spaces, die seit einem halben Jahr einfach weggefallen sind.

Meat Market

Ich habe in den letzten zehn Jahren die Bewegung Meat Market aufgebaut. Weit über die Grenzen Österreichs kennt man unsere Partys als schwul-bi-lesbischen Ort, zu dem auch Heteros kommen. Der Club wird zu unserem Utopia, an dem sich Menschen aller Religionen, Nationalitäten, sexueller Orientierungen auf Augenhöhe begegnen. Was in der Gesellschaft nicht funktioniert, leben wir wöchentlich für ein paar Stunden. Und es bedeutet uns die Welt.

Ich begrüße zwar den angekündigten Fixkosten-Zuschuss, doch geht es mir nicht ums finanzielle Überleben. Es geht um die Sache selbst. Wir haben nun Wege gefunden, wie wir – unter massiven Einschränkungen und Auflagen für unsere Gäste – Techno-Erlebnisse in einem kleinen Kreis ermöglichen können. Bei unserem ersten „Techno-Konzert“ waren die exakt 200 Tickets binnen vier Minuten ausverkauft.

Ich halte Corona für eine riesige Gefahr, die es ernst zu nehmen gilt. Ich fordere folglich kein Zurück zur Normalität. Ich fordere einen Diskurs darüber, wie wir das Feiern aus der Illegalität holen und auf eine möglichst sichere Schiene bringen können.

Die aktuell explodierenden Zahlen in der Altersgruppe der unter 24-jährigen ist der Beleg für das Versagen dieser Drei-Affen-Politik. Wenn im Winter die Möglichkeiten, sich im Freien die Hörner abzustoßen, wegbrechen, dann könnte die Lage weiter eskalieren. Wir müssen für diese Zeit gewappnet sein und eine Lösung abseits von reinen Verboten bieten, die die Lebensrealität der Menschen berücksichtigt, anstatt sie zu leugnen.

Der Text stammt von Gerald Wenschitz. Er ist Techno-Aktivist, Musiker und lebt in Wien. 

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