Chuzpe in der Weltpolitik

Chuzpe in der Weltpolitik
Staatschefs, die Passagierjets und Halbinseln kapern oder zum Sturm aufs Kapitol aufrufen – die Unverfrorenheit vor aller Augen nimmt zu.
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Das hätte einst nicht einmal John Forsythe in einen seiner Polit- und Spionagethriller eingebaut: Ein Passagierflugzeug wird auf dem Weg von einer in eine andere EU-Hauptstadt vom Kampfjet eines dritten Landes, das sich früher gerne der EU angenähert hätte, zur Landung gezwungen. Ein Oppositioneller wird bei der „Zwischenlandung“ aus der Maschine geholt und verhaftet. Während die Welt noch staunt, gesteht der aus der Luft geraubte Mensch (nach ein bisschen Folter, wie angenommen werden darf), dass er einst zum Umsturz gegen den Diktator besagten Landes aufgerufen hat.

„Zu unwahrscheinlich“, hätte der britische Autor gesagt. Aber in echt findet Solches tatsächlich statt. Die Chuzpe in der Weltpolitik ist, nein, nicht salonfähig geworden, aber sie greift immer unverschämter Platz. Mit Luft noch nach oben offenbar.

Dabei hat man gemeint, schon alles erlebt zu haben, was es weit im 21. Jahrhundert bestenfalls in Fiction-Literatur geben sollte. Die freche Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Wladimir Putin zum Beispiel – Fakten schaffen und die Empörung schon mit einpreisen, wie das heute so schön heißt, und schon ist eine Landkarte umgezeichnet. Der Giftanschlag auf den russischen Doppelagenten Sergej Skripal und seine Tochter, offenbar ebenso von Putin-Schergen geplant wie jener auf den Regimekritiker Alexej Nawalny – vor den Augen der Welt, ganz unverblümt. Aber auch ein amerikanischer Präsident, der eine satte Wahlniederlage als Wahlbetrug brandmarkt und seine Anhänger zum Sturm aufs Kapitol aufruft – echt jetzt, alles möglich?

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