Mit Ausnahmen ist der Alltag wieder eingekehrt. Die Wirtschaft, die sogar im vergangenen Jahr gewachsen ist, brummt in Richtung Wachstumszahlen, die die übrige Welt nicht einmal in gesunden Zeiten kennt. Wenn das Virus irgendwo auftaucht, dann in (angeblichen) Größenordnungen von 120, 140 Neuinfektionen – und umgehend werden ganze Millionenstädte abgeriegelt. Und über den schwachen Westen, der mit dem Virus nicht fertig wird, macht sich die Elite lustig. „Im Kampf gegen die Pandemie wird es siegreiche und geschlagene Mächte geben“, zitiert die Zeit einen hohen Militär an der Uni Peking, „wir sind die Siegernation, aber die USA werden eine besiegte Macht sein.“ Und ein einflussreicher Pekinger Politologe ätzt, dass Europa zwar die (medizinische) Zusammenarbeit mit China suche, aber an der Seite der USA stehe, wenn es um die Suche nach dem Ursprung des Virus gehe.
Jawohl: Es wäre Zeit, die Führung in Peking an die Ursache der Jahrhundert-Pandemie und ihre Verantwortung zu erinnern. Mit archaischem Alltag (Wildtiermarkt) hat China das Virus produziert und in die Welt entlassen; mit modernsten Mitteln seines rücksichtslosen Totalitarismus hat es das Virus im Griff. Beides ist nicht unsere Welt. Aber unserer Welt schuldet China etwas.
Dass der chinesische Drache knapp vor der Landung auf Platz eins der Weltwirtschaft ist, darf die Nationen auf den Rängen dahinter nicht vor Ehrfurcht erzittern lassen. Auch der Hochmut und die Dreistigkeit, mit der China gerade agiert – Kriegsdrohungen gegen Taiwan, Handelsrestriktionen und rätselhafte Lieferengpässe als Waffe gegen Australien und alle, die Chinas Rolle kritisch hinterfragen – sind kein Grund, sich erpressen zu lassen.
Ja, am Reich der Mitte kommt man nicht vorbei. Aber jeder Geschäftsmann, der schon mit China zu tun hatte, weiß: Wer China ohne höfliches Selbstvertrauen gegenüber tritt, hat schon verloren. Die neue Führung in den USA und die Lenker in Europa wissen das hoffentlich auch. Gerade jetzt. Sonst hat China wirklich allen Grund, sich eins zu lachen.
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