Cavendish macht das Dutzend voll
Die Gegenüberstellung kommt nicht von irgendwo, weil Erik Zabel ist ja sowas wie sein persönlicher Trainer. Ich kann mir aber kein ungleicheres Paar vorstellen - so wie der eine ruhig, bescheiden und generell sympathisch wirkt, so von sich überzeugt, arrogant und fast ein bissi streitsüchtig scheint der andre. Naja, wie auch immer die Zusammenarbeit aussieht, es funktioniert. Nicht vergessen darf man, aber das tut der Herr Cavendish eh auch nie im Interview, dass er viel dem HTC-Columbia-Sprinterzug zu verdanken hat. Vor allem Mark Renshaw leistet irrsinniges als sein letzter Anfahrer, bevor der "Boy Racer" losstampft, dass kein Gras mehr wächst.
Naja, so ein Massensprint ist nichts für zartbesaitete Seelchen. Tatsächlich darf man nicht weinen, wenn man mal kurz an die Bande gedrängt wird oder einen Ellbogen vor die Brust kriegt. Schaut man sich so ein Finale mal genauer an, da geht's zu wie in der Schlussminute der Cocktail-Happy-Hour. Zuerst bauen die Sprinterteams ein Irrsinns-Tempo auf, damit ja keiner einen Cancellara macht und vielleicht noch abhaut auf dem letzten Kilometer. 4, 5 Leute von einem Team in der Reihe, der vorderste fährt so lange so schnell, bis ihm die Milchsäure aus den Augen spritzt, dann kommt der nächste dran, während andere versuchen, den Zug zu stören, reinzufahren, den Sprinter vom Hinterrad wegzudrängen oder mit Tempowechsel durcheinanderzubringen (gutes Beispiel: Danilo Hondo macht den HTC-Zug kaputt, Petacchi gewinnt). Das richtige Hinterrad muss mit Zähnen und Klauen verteidigt werden (gutes Beispiel: gestern, Mark Renshaw, der zuerst Thor Hushovd, dann Oscar Freire richtig wegschubst. Bei 60 km/h!). Und das alles in hektischen, stressigen 1, 2 Minuten. Dann ist alles vorbei, Chance vertan für viele, Ruhm und Glorie und Blumenstrauß für einen einzigen. Öfter als nicht, anscheinend auch heuer wieder, Mark Cavendish.
Man hört auch, dass einer, der gern mit dem Grünen Trikot in Paris ankommen will, eher weniger so kompromisslos auf Sieg fährt. Weil viel zu riskant: Lieber als Fünfter die Punkte sicher haben als vom Rad zu fallen und gar keine. Vielleicht ist das auch eine Ausrede, vielleicht hat Thor Hushovd einfach nicht den Zug und die Endgeschwindigkeit, aber wie schon erwähnt, das Grüne Trikot holt der sich halt anders. Der fährt auch in einer Bergetappe in der Spitzengruppe, um sich die Zwischensprints zu holen, holzt von vorne übers Pflaster und scheint mir, vorerst zumindest, einfach der erfahrenere und schlauere zu sein. Man darf nicht vergessen, Mark Cavendish ist erst 24.
Sonst tat sich erwartungsgemäß nicht so viel, die letzten Tage. Der deutsche Eurosport-Kommentar war mehr Geschichtsvorlesung (jedes, wirklich jedes einzelne Schloss am Streckenrand mit seiner packenden, wechselhaften, jahrhundertealten Geschichte), man hatte auch Zeit, diverse Seifenopern-Handlungsstränge aufzuarbeiten (Streit, Eskalation mit Fast-Schlägerei zwischen Hunter und Fuglsang, zB), artistische Einlagen zu würdigen (die Schuhreparaturaktion von Basso wurde eindeutig heute geschlagen, als sich Sebastian Lang in voller Fahrt seines Unterhemds entledigte, Helm ab, Trikot aus, Unterhemd aus, Trikot an, Helm auf, und das alles mit der Ohrverkabelung!) und die erneuten Anschüttungen von Floyd Landis zu ignorieren. Schon gespannt, ob da was rauskommt, aber Lance Armstrong, der Mr. Teflon der Dopingbeschuldigungen, wird's schon richten.
Ansonsten muss man noch erwähnen: Nach der grossen Schnurrbart-Phase scheint heuer der Dreitagebart a la mode zu sein. Neben Eisel, Cavendish uvm. scheinen 3 der 4 Trikots öfter die Beine als das Gesicht zu rasieren. Einzig, das ist eh passend, der beste Nachwuchsfahrer tut jeden Tag sein blankes Milchgesicht zum Podiumsbussi hinhalten. Hugo Koblet rotiert im Grab.
Morgen wird es dann endlich ein wenig hügeliger - ich rechne ja damit, dass die Favoriten noch ruhig bleiben werden und erst am Sonntag ein bisserl Kräfte messen. Ausreissergruppentag, definitiv, und Streit ums Bergtrikot.
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