Bundespräsident ist gut für Machtbalance

Es geht ein paar Monate auch ohne Staatsoberhaupt. Aber in der nächsten Krise würden wir es vermissen.
Helmut Brandstätter

Helmut Brandstätter

Es geht ein paar Monate auch ohne Staatsoberhaupt. Aber in der nächsten Krise würden wir es vermissen.

von Dr. Helmut Brandstätter

über das Amt des Bundespräsidenten

Ja, vielleicht sind wir eine "Schlampokratie",wie das Charles Ritterband,der Kollege von der Neuen Zürcher Zeitung im KURIER am Sonntag ausgedrückt hat. Aber vor allem ist Österreich ein Rechtsstaat, wo eben auch Peinlichkeiten wie kaputte Wahlkuverts offen und transparent abgehandelt werden. Jedenfalls ist die Abwesenheit eines Bundespräsidenten sicher nicht der richtige Anlass dafür, das Amt wieder infrage zu stellen.

Es darf sich ja jeder fotografieren lassen und auch blamieren,wie er oder sie will. Aber die Feststellung einer Gratiszeitungsdame, es sei "Wurscht,wer aus der Kutsche winkt", ist an Ignoranz kaum zu überbieten. Wir haben während des Wahlkampfs im Gegenteil die wichtige Diskussion darüber geführt, ob das Staatsoberhaupt nicht zu viele Kompetenzen habe. Da kam auch der Vorwurf, das Amt des Bundespräsidenten sei zu sehr von der autoritären Stimmung der 1920er-Jahre bestimmt. Im Jahr 1929 wurden ja die Befugnisse in der Verfassung neu geregelt. Sicher ist, dass das Amt vor allem in Krisenzeiten extrem wichtig ist, dass die Kompetenzen potenziell zu Machtmissbrauch verführen können und dass die Abschaffung des Amtes eine große Änderung der Verfassung nach sich ziehen müsste.

"Unsere Verfassung löst das Problem der Führerschaft, indem sie viele Führer vorsieht", sagt der führende Experte für die Rechte des Präsidenten, Manfried Welan. Wer also den Bundespräsidenten abschaffen will, muss die bewährte Machtbalance neu definieren. Und dabei bedenken, dass wir bald einen Nationalrat ohne klare Regierungsmehrheit haben könnten. Da werden Kompetenzen, aber auch das feine Gespür eines Staatsoberhauptes von Bedeutung sein.

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