Brexit wird zur Zerreißprobe für London

Der Rücktritt von Brexit-Minister David Davies könnte Premierministerin May und ihre Brexit-Strategie zu Fall bringen.
Konrad Kramar

Konrad Kramar

Rücktritte von Spitzenpolitikern sind in Großbritannien eigentlich weit weniger außergewöhnlich als bei uns. Ob es sich nun um persönliche Verfehlungen handelt, oder politische Konflikte, Verantwortung übernehmen heißt in London vor allem einmal, seinen Sessel zu räumen. Dass aber David Davies, der für die Abwicklung des Brexit zuständige Minister, nun die Regierungsbank verlässt, wird schon für weit mehr politische Dramatik sorgen. Premierministerin May hat zwar innerhalb weniger Stunden mit dem bisherigen Minister für Wohnungsbau, Dominic Raab, einen Ersatz gefunden, die politische Krise, in die ihre Regierung gerade schlittert, ist damit aber noch lange nicht vorbei. Sie hat vielmehr gerade erst begonnen.

Davis Rücktritt ist nicht mehr und nicht weniger als eine offene Kriegserklärung der "Brexiteers", also der Vertreter eines kompromisslosen EU-Austritts Großbritanniens, an die Regierung May. Hat die doch am Wochenende bei einer Regierungsklausur ihre Linie eines sanften Brexit, der also nicht alle Brücken zur EU abbricht, durchgesetzt. Die Brexiteers mussten sich einem Kompromiss fügen, der Großbritannien zumindest nicht von den europäischen Warenströmen abschneidet. Eine Entwicklung, die vor allem der britischen Industrie schwer zugesetzt hätte. Dass Davis keine 48 Stunden später abtrat, heißt nichts anderes als dass man nicht gewillt ist, diesen Kompromiss zu akzeptieren.

Eine offene Revolte gegen May wagen die EU-Gegner vorerst nicht, einfach nur, weil sie nicht ihr Pulver verschießen wollen. Schließlich will die Regierung erst am Donnerstag ihr sogenanntes Weißbuch zum EU-Austritt vorlegen, deren Kernpunkt die Beschlüsse von der Regierungsklausur sind. Zwar hält sich die EU vorerst noch zurück, doch es ist abzusehen, dass die Brüsseler Verhandler den Vorschlag aus London ordentlich zerpflücken werden. Schließlich stellt er aus ihrer Sicht genau das "Rosinen klauben" - also EU-Vorteile für Großbritannien ohne jede andere Verpflichtung - dar, das sie nicht akzeptieren können. Schließlich könnten da rasch andere auf die Idee kommen, sich auf ähnliche Weise ihre maßgeschneiderte EU-Teilmitgliedschaft zu schnitzen.

Wenn aber Brüssel beginnt von London mehr Verpflichtungen im Austausch gegen den Zugang zum EU-Binnenmarkt zu fordern, insbesondere Anerkennung von EU-Gesetzen und -Richtlinien, schlägt erneut die Stunde der EU-Gegner, die dann gestärkt in ihre Schlacht gegen einen Brexit, der gar keiner sei1, ziehen können. Dann könnten rasch - inklusive Unterstützung der Opposition - die Stimmen im Parlament zusammenkommen, um May zu stürzen. Da kann David Davies derzeit gerne seine Unterstützung für die ach so gute Premierministerin betonen, im Falle eines Falles könnte der fanatische Brexiteer selbst die Chance auf den Posten des Regierungschefs ergreifen. Und Großbritannien steuert endgültig in Richtung eines kompromisslosen EU-Ausstiegs und damit ins politische Chaos.

 

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