Schlussbericht? Neinneinnein.

Schlussbericht? Neinneinnein.
KURIER.at auf Weltreise - Blog. Vergangenheit: Reise durch Lateinamerika. Gegenwart: Raucherraum. Zukunft: Osten. Und die Frage: Wo ist der 13.Jänner?

Der eiskalte Raucherraum des Lokals bei Gate 10 des Airport Santiago de Chile ist nun also der Ort meines letzten Blogs vom Kontinent Amerika. Er singt das gleiche Trauerlied wie jeder Raucherraum bei jedem Gate auf jedem Airport. Eine Symphonie aus ekelhafter Luft, unabgeräumten Tischen und traurigen Gestalten. Die Zeiten des Raucherparadieses Lateinamerika sind vorbei. Wie überall. Lateinamerika ist globalisiert, in punkto Bankomat, in punkto WLAN-Versorgung und in punkto Tod den Rauchern.

Das würde jetzt gut zu einer Schlussbetrachtung der ersten dreieinhalb Monate Weltreise passen. Ich könnte von entlegenen Winkeln wie dem Nationalpark Torres del Paine reden, wo einem zur Betriebsanleitung des Generators der WLAN-Code mitgegeben wird. Ich könnte von Fischerdörfern wie Puerto Arista schwärmen, wo der einzige Dorfgendarm einen Bankomaten bewacht. Mir würde viel über die Länder Peru und Guatemala einfallen, die als so ursprünglich gelten und doch touristisch versorgt, erschlossen, erschossen sind. Und die abseits des Beaten Track alle doch ihre Nebenfahrbahnen haben: Feuerland seinen chilenischen Teil, während alle nur nach Ushuaia, Argentinien, trotten. Costa Rica sein Manzanillo, während alle in Puerto Viejo abhängen. Cusco seine viel wichtigeren Ruinen, während alle nur Machu Picchu abhaken. Aber mir ist gar nicht nach Schlussbericht. Denn mein Kopf ist voll mit der kindischen Tatsache, dass ich in zwei Stunden in ein Flugzeug steige, das mich zurück in die Zukunft fliegt. Nämlich: Ich fliege am 12.Jänner um 23.10 Uhr aus Chile weg und lande nach 13 Flugstunden am 14.Jänner um 4.20 Uhr in Neuseeland. Vorher bin ich vier Stunden hinter meiner Heimat, nachher elf Stunden voraus. Und: Der 13.Jänner geht mir verloren. Das ist doch bitte der blanke Wahnsinn, wo bleibt der? Kommen Sie mir jetzt nicht mit der Datumsgrenze, das ist einem kindlichen Gemüt wie mir viel zu dings. Da halte ich es ganz wie der kleine Prinz. Frage mich innerlich, ob ich denn etwas anstellen soll, einen Streich. Und wenn einer kommt und sagt, am 13.Jänner hast, sage ich, ha, nein, geht nicht. Aber was stellt man heutzutage in einem Flugzeug an, ohne dass einen der Marine Corps gleich nach Guanaco Bay steckt? Ich könnte einen OutOfOfficeReply einrichten: "Werter Email-Sender, ich bin am 13.Jänner nicht." Wenn am 13.Jänner Wahlen wären, wann müsste ich wählen? Kann mich die Pensionsversicherung wegen eines erschummelten Tages verklagen? Und werde ich nun insgesamt einen Tag älter?

Schlussbericht? Neinneinnein.

Das begeistert Sie jetzt weniger? Damit gehören sie zu denen, die nach dreieinhalb Monaten Amerika fragen: Was war am besten? Und ich zu denen, die auf sowas keine Antwort geben. Können. Sie sind Schlussbericht, ich nicht. Aber ich kann mich erklären, das bin ich Ihnen voraus. Weil jeder Winkel etwas hatte. Jedes Land. Und das alles ist nicht vergleichbar, schon gar nicht reihbar. Wüste, ausgetrocknete Salzseen, Berge, Vulkane, Pampa, dunkle Gassen, Pracht-Avenidas, Magellanstraße, Gletschereis, heiße Quellen, Karibikstrände mit Palmen, Pazifikstrände ohne Palmen, wilde Strände mit Unterströmung, klare Bäche ohne Strömung, Dschungel, Hochhäuser, Estancias. Was weiß denn ich, worauf Sie mehr stehen? Fisch roh, Fisch gekocht, Meeresfrüchte gebraten, Süßwasser-Trouts gebacken, Asado, Alpaca, Meerschweinchen, Reis mit Bohnen, nur Reis, Bohnenpaste, Maiskolben groß wie ein Unterarm, Süßkartoffel, Heuschrecken, Schwein, Kalb, Rind, gefüllte Teigtaschen. Fühlen statt erleben. Was weiß denn ich, wonach Ihnen der Sinn steht. Auf Pisco sour oder auf Tequila? Es hatte alles was, nur manches war weniger nach meinem Geschmack. Aber nach Ihrem? Was weiß denn ich!

Würde ich einen Schlussbericht schreiben, wäre ja irgendwie auch Schluss. Aber beim Langreisen kommt man in einen Flow, der geht so: Denkst du in die Vergangenheit, ist da Reise. Bei mir Costa Rica. Das war kalendarisch vor drei Monaten, gefühlt vor drei Jahren. Die Gegenwart ist auch Reise, Stinkeraum und so. Und in einer Woche ist Neuseeland, in einem Monat auch, in drei ist Japan, in sechs ist Zentralasien. Und weiter geht mein Kopf nicht. Auf den Kalender ist eben kein Verlass, siehe 13.Jänner. Nein, Schlussbericht zu Lateinamerika bekommen Sie keinen. Einen Tipp vielleicht: Machen Sie auch eine Langreise, länger als Sie Platz in einem Koffer haben. Fliegen Sie von mir aus zuerst nach Santiago und gehen Sie auf den Cerro San Cristobal. Setzen Sie sich neben den weißen Straßenköter, der dort im Schatten einer Rose döst. Inhalieren Sie seine Zufriedenheit, trotz Kampfnarben, trotz der vier sichtbaren Zecken, trotz des Drecks im Fell. Und verstehen Sie: Dieser Kontinent hat viel zu bieten. Aber entdecken muss man es schon selber. p.s. Untenstehen der Link zu den Fotos aus Valparaiso und Santiago de Chile. Die besten Fotos Lateinamerikas? Gibt es natürlich nicht. Warum? Lesen Sie nochmals aufmerksam…

Schlussbericht? Neinneinnein.

Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas ( Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile, nächstes Ziel: Auckland (Neuseeland)

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