H‘hubers Weltreise: Wundergroßes Dorf

H‘hubers Weltreise: Wundergroßes Dorf
Kathmandu hat Charme! Vor allem weil das Bronzegeschirr-Gewürze-Tempelgemisch die dorfigste Hauptstadt der Welt ist.

Gleich nach dem Platz mit der Buddhafigur und den vielen Gewürzständen bog ich in die lange gerade Gasse Richtung Durbar Square. Über der schmalen Gasse strahlte der Himmel blau, durchsetzt von hunderten, tausenden bunten Gebetsflaggen-Strängen. Auf den ersten Metern drängten sich noch Gewürz-, dann die Stoffhändler, dann Vorhängeschloss-Läden. Und dann fing die Meile der Bronze- und Kupfergeschirr-Tandler an. Aus den Geschäften, die meist nur aus dem Eingang bestanden, quollen die Töpfe, Teller und Becher und verengten die Gasse zum Pfad. Ich staunte, war mir aber sicher, hier nichts zu kaufen.Ich war mir so sicher.

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Der mitunter dümmste Gedanke in Ländern mit Bazar-Kultur ist, dass Schauen nichts kostet. Der Knall, der eine Lawine auslöst, tötet auch niemanden. Der Kauf einer Tafel Schokolade macht mich nicht dicker und von dem "schnellen Kaffee oben bei mir" wurde noch niemand schwanger. Aber Epiloge führen zwangsläufig zum Theaterstück und das Bühnenbild, in dem ich nun saß war umwerfend: Das Geschäft ein Gang, keine zwei Meter breit. Links und rechts Regale mit Bechern, von der Decke hingen Kannen, alles funkelte in Bronze und Kupfer. Ich saß auf einem Mini-Schemel, mir gegenüber ein freundlicher Nepali mit Schnurrbart.Als er den ersten Becher auf die eine Schale der Waage legte, die von der Decke hing und so breit wie der Raum war, sagte ich mir: "Vier solche Becher, gefüllt mit Rotwein, auf meinem Glastisch, das macht sich gut." Er eröffnete elegant: "The weight makes the price. This one is 400 Rupees." Dabei hatte tags zuvor alles ganz harmlos begonnen: Die Fahrt von Pokhara nach Kathmandu war wie eine extrem gelungene Diashow an mir vorübergezogen und nach den letzten Serpentinen schaute mich das Hochplateau rund um die Hauptstadt an. Mir gefiel dieses Kathmandu Valley, das gar kein Tal ist, sofort. Grün, saftig, kühler, übersichtlich. An der Einfahrtsstraße standen Häuser, stets einzeln, keine Häuserzeilen. Ich weiß bis jetzt nicht warum, aber die Nepalesen bauen ihre Häuser am Stadtrand wie Bäume, die aus der Wiese wachsen. Wie Einfamilienhäuser, nur vierstöckig und für zwanzig Familien. An der Straße herrschte das Leben, hier grillte eine Frau Mais, dort verteidigte ein Straßenköter sein Revier. Ein Affe überquerte die Straße, ohne die in der Mitte liegenden Kuh zu grüßen. Und dann landete ich in Thamel.Der freundliche Schnurrbart stand bei 350 Rupees pro Becher. Ich begann mich zu fragen, woraus die anderen vier trinken, wenn ich acht Gäste habe?

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Zur Erklärung: Eine Zeitlang war Kathmandu ein wenig das Auffanglager für übergebliebene Hippies. Der gewaltfreie Kampf gegen Anzug-Kapitalismus und für nackte Liebe wurde im Westen verloren und Nepal schien als Basis perfekt, vor allem weil Tibet ja schon von den Chinesen besetzt war. Also Nepal, genauer Kathmandu, noch genauer Thamel. Dieses Touristen-Viertel ist heute voller Hanfläden, Filzpatschen, Klangschalen, German Bakerys und Organic Supermarkets. Es ist die westliche Enklave in Kathmandu, auf den ersten Blick "total Nepali", auf den zweiten "Kitsch mit gutem Marketing". In mir kämpfte vom ersten Schritt aus dem Hotel das Kind mit dem Reisenden: "Disneyland, cool, lass uns mit allem fahren." "Nein, raus hier, das ist unauthentisch." "Oh, der weitgereiste Erwachsene spricht. Nicht wieder Ecken entdecken, hier bleiben!" (Der dritte Marihuana-Verkäufer innerhalb von zehn Minuten wird verscheucht) "Kompromiss: Touristenroute, aber raus hier, Richtung Hauptplatz." "Kompromiss: Cappuccino in der Bakery, dann Touristenroute Richtung Hauptlatz." "Fein." "Passt."Der freundliche Schnurrbart stand bei 320 Rupees pro Becher. Ob es nicht besser wäre, gleich acht zu nehmen? Große Party, großer Spaß… Der Kaffee war ekelhaft, dafür begann gleich nach der Bakery ein anderes Kathmandu. Die Trekkinggeschäfte wurden zu Greißlern. Nicht mehr die Touristen schlurften in nepalesischen Gewändern umher, sondern die Nepalesen. Dafür strahlten diese Gewänder nicht mehr penetrant, sondern waren ausgebleicht. Hier eine Harmonium-Werkstatt, dort ein Elektrohändler, der noch Drähte lötet. Die alten Häuser hatten hölzerne, verziert geschnitzte Balkone. Sie standen in Zeilen, sind aber niedrig genug, um das Dorfbild nicht zu zerstören. Hindu-Tempel und Ganesh-Statuen, hupende Motorräder und gammliges Obst. Dann plötzlich der Platz mit den vielen Gewürzständen.Der freundliche Schnurrbart war mittlerweile bei 280 Rupees pro Becher. Während er acht davon zusammensuchte, griff ich zu einem der wunderbaren Bronzeteller und schaute ihn mir genauer an.

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Am Ende der Gasse mit den Bronzehändlern liegt der Durbar Square. Die vielen Stupas, Tempel und andere religiöse Gebäude wirken wie ein Archiv für Heiligtümer. Eines begeisterte mich: Im Kumari-ghar lebt eine der drei Gottheiten Nepals. Lebt. Das kleine Mädchen in dem Tempel empfängt Nepalesen zur Audienz, zeigt sich den Touristen auf einem Holzbalkon und darf niemals fotografiert werden. (Also, außer für die Postkarten, die am Eingang angeboten werden) Sie erhält Unterricht, weiht den König und ist bis zu ihrer ersten Periode "living goddess". Dann wird nach strengen Regeln neu ausgewählt. Ich mochte, wie sie mich da vom Balkon aus ansah, echte Göttin, hallo, da verbleicht jede Papst-Audienz, Schmied und Schmiedl, Sie wissen schon.Der freundliche Schnurrbart eröffnete mit 900 Rupees pro Teller. Mein Unterbewusstsein wusste da schon, dass zu acht Bechern acht Teller gehören.Die so genannte Freakstreet hinter dem Durbar Square war einst Hippie-Kommandozentrale. Heute ist sie so eine Art War-Memorial dafür, dass die Hippies den Kampf auch in Kathmandu verloren haben. Ich musste raus, ganz raus. Nix Altstadt, nix Thamel. Vorort. Ecken entdecken, Menschen sehen, Schwammerl-Einzelhäuser zwischen Reisfeldern. Also machte ich mich zunächst auf den Rückweg zum Hotel, nach Thamel. Um später das echte Kathmandu zu entdecken. Ich wusste ja schließlich noch nicht, dass ich in den nächsten drei Tagen nicht Erforscher, sondern Erforschter sein würde. Nämlich: Die International CIWEC Clinic in Kathmandu ist total toll, die Ärzte fanden mein geschwollen-gerötetes Bein weniger unbedenklich als ich. (Ich: "Geben Sie mir halt ein Pulverl." Dr. Rashila: "Haben Sie eh Wäsche für zwei Tage dabei?") Sie behandelten aggressiv, intravenös, autsch. Und nach drei Tagen war die Blutvergiftung-Bakterielle Infektion-wasauchimmer auch wieder vorbei.Der freundliche Schnurrbart sagte, 650 Rupees pro Teller seien sein letzter Preis. Ich rechnete im Stillen, mit einem Lächeln, nur keine Schwäche, und kam auf 7440 Rupees. Aber ich brauche doch noch einen Krug. Auf dem Rückweg vom Durbar Square zum Hotel begann mein Bein etwas zu schmerzen. Vielleicht auch um mich kurz hinzusetzen, schaute ich nochmal zu dem Bronzehändler mit dem freundlichen Schnurrbart hinein. Die Idee eines nepalesischen Geschirrs reizte mich. Vor allem aber wollte ich nochmal in gebückter Haltung durch den Laden kriechen, an der großen Waage vorbei und mich auf den Schemel setzen. Ich wollte nochmal diesen Dorfcharme spüren, das Handeln zwischen Töpfen.Wir einigten uns auf 7000 Rupees für je acht Becher und Teller und einen Krug.

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Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia - Kaitaia - Cape Reinga - Matakohe - Tauchkurs in Tutukaka - Peninsula Coromandel - Auckland - Taupo - Napier - Wellington - Fähre auf die Südinsel - Picton - Takaka - Kaiteriteri - Punakaiki - Arthur's Pass - Christchurch - Twizel - Aoraki/Mount Cook - Dunedin - Te Anau - Milford Sound - Queenstown - Wakana - Franz Josef - Hanmer Springs - Kaikoura - Fähre auf die Nordinsel - Paraparaumu - National Park - Tongariro Crossing - Whanganui - Wellington - Rotorua - Auckland - Sydney (Australien) - Blue Mountains - Cairns - Great Barrier Reef - Cape Tribulation - Sydney - Tokyo (Japan) - Kyoto - Hiroshima - Osaka - Hongkong (China; selbstverwaltete Region) - Macao (China; sR) - Ho Chi Minh City/Saigon (Vietnam) - Cu Chi-Tunnels - Nha Trang - Motorradtour durch das zentrale Hochland (Buon Ma Thout, Kon Tum, Tac Glei) - Hoi An - Hue - Hanoi - Halong Bay - Ninh Binh - Tam Coc - Savannaketh (Laos) - Pakse - Bolaven Plateau - Champasak - Si Phan Don Islands/Don Kong Island - Kratie (Kambodscha) - Phnom Penh - Sihanoukville - Battambang - Siem Reap - Bangkok (Thailand) - Delhi (Indien) - Agra - Varanasi - Lumbini (Nepal) - Pokhara - Kathmandu/Kathmandu Valley (Patan - Boudhanath - Jorpati - Bhaktapur), nächstes Ziel: Almaty (Kasachstan).Schnäppchen dieser Tage: Eine Reiseversicherung. Meine dreitägige Behandlung inklusive zweier stationärer Nächte kostete über 2000 US-Dollar (gut 1700 Euro). Das öffentliche Spital in Kathmandu ist auch für Hartgesottene leider keine Option. Ich danke an dieser Stelle ganz aufrichtig der Generali und der Europäischen Reiseversicherung (namentlich die Herren Neuhauser und Mattes) für die professionelle und rasche Hilfe (und sowieso überhaupt alles). Man will bei böser Diagnose in fremdem Land keine Sorgen wegen der Kosten haben. Danke!Nepp dieser Tage: Also ich konnte nicht widerstehen und kaufte eine Softshell-Jacke und drei Funktions-Wanderleiberl. Die gibt es hier in Original (unsere Preise), schlechtem Imitat (fünf Prozent unseres Preises für das Original) oder "mittel": Das sind originale Materiale, die in China vernäht und mit einem Original-Markenlabel versehen wurden. Der Preis: rund zehn bis 20 Prozent des Original-Preises. Ob nun diese Ware der Nepp ist oder die Preise der Original-Outdoor-Marken, kann ich erst später sagen. Wenn ich (schluchz), wieder einmal (schluchz) in den österreichischen Bergen (schluchz) wandern war!!!

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