Halbhubers Weltreise: Wieder Löschpapier
Es lag schon auch an der Motorradtour durch Vietnams Hochland . Und ein bisschen am Strand von Nha Trang. Aber daran schuld, dass ich so lange nichts von mir hören ließ, war vor allem die Gefangennahme: Nach zwanzig Minuten in Vietnam erfasste mich ein Lebensgefühl, wie ich es zuletzt in von Südamerika spürte. Als ich vom Mopedfahrer in Saigon - mit schweren Rucksack und den Taschen unter dem Arm - zu dem Hotel gebracht wurde, zu dem uns eigentlich der Taxifahrer hätte bringen sollen. Die Menschen aßen und besprachen das Leben am Straßenrand, da und dort vertrieb eine Ratte einen streunenden Hund. Mich packte das Reisefieber wieder einmal und ich wusste, dass ich ein bisschen Zeit für mich brauche. Weshalb ich Ihnen jetzt viel zu erzählen habe.
In diesem höchsten Stadium des Reisens fühlt man sich wie Löschpapier auf der Walz: Ich lasse mich von Zufällen treiben und sauge dabei auf, was ich kriegen kann. Den Informationsfilm im Reunification Palace etwa, in dem ein kommunistisches Regime Geschichtsanalyse betreibt, dabei natürlich hilflos ins Kabarett abgleitet. Den Kröten am Markt habe ich zugeschaut, als sie wegwollten und nicht konnten, weil dieselbe Schnur um ihre Bäuche sie alle am Präsentierteller festhielt. Den Marktfrauen habe ich ins Gesicht gesehen, als sie diesen Kröten die Köpfe abschlugen. Ich gab mich der zweiten Nebenwirkung dieses Reisegefühls hin: Freiheit. Ich erfüllte mir in Saigon, das seit über 30 Jahren offiziell Ho Chi Minh City heißt aber beharrlich Saigon genannt wird, einen langjährigen Wunsch. Ich rasierte mir eine Glatze.
Nun ist es ganz egal, ob man kahlköpfig die Cu Chi-Tunnels besucht, aber offengeistig tut man sich schwer. In diesen Tunnelanlagen versteckten sich im Vietnamkrieg die Untergrundkämpfer des Nordens. Die Armeen des Südens, allen voran die Amerikaner, versuchten sie zu finden und zu töten. Es ist ein bedrückender Ort. Wenngleich ein guter, um über Verzweiflung, Angst und Boshaftigkeit eines Krieges nachzudenken. Und doch ein Ort, an dem die Regierung auch eine shooting range aufgebaut hat, Machismo trifft Geldgier. Die beiden halbwüchsigen Amerikaner in unserer Tourgruppe wurden dem Klischee gerecht und flehten: "Mum, can we go shooting now?" Keine Ahnung, ob unser Tourguide das hörte. Er schien hier in Gedanken zu sein, der alte Mann, der im Krieg schon mal hier war. Getötet und überlebt hatte. "This is the shooting range, anybody wants to shoot?" Seine Frage kam schnell, überrumpelnd und rhetorisch. Er ließ keine zwei Sekunden vergehen, bis er sagte: "Nobody? Very good!" Die Buben trösteten sich auf dem weiteren Weg mit je einem Stock, den sie wie ein Gewehr hielten, und Schusslaute imitierten.
Zehn Busstunden nördlich liegt Nha Trang, Vietnams größte, wenn auch nicht schönste Strandfiliale. Hier denkt man bei shots nur an die Bar. Hier interessiert sich niemand für Geschichtsbilder, weder kommunistische, noch objektive. Hier verdient man Geld. Ich ließ meine Dong vor allem beim Tauchen liegen. Und es zog mich beim Anbieter-Check nicht zum professionell wirkenden PADI-Anbieter, bei dem die Mitarbeiter alle das gleiche Polo trugen. Sondern zu dem kleinen Diveshop, wo mir ein stockbetrunkener Ire namens Joe versicherte, mit seiner Company Scubazone hätte man eine great time.
In der Tat: Die folgenden beiden Vormittage verbrachte ich auf einem kleinen Tauchboot mit einer Handvoll Gleichgesinnten sowie der Crew: Joe dem Iren, Andy dem Waliser und Juan, der mir erklärte, dass die Isle of Man auch ein autonomer Teil des British Empire sei. Joe war nüchtern, aber als Ire trotzdem immer gut drauf: "I work from seven in the morning and at 'round three the work is done. Then I start having my beers", umriss er sein Dasein. Andy blieb vor sieben Monaten hier hängen, lernte tauchen, machte seinen Masterdiver und fing hier zu arbeiten an. Er lebt in Nha Trang, denkt aber noch ein bisschen von außen: "I still can't believe this place. We are diving in a Marine Reserve, protected area. But from time to time they do dynamite fishing here."In der Tat sind die Tauchplätze hier schön, aber besonders groß werden die Fische nicht. Dass hier perfekte Bedingungen für Fischvielfalt und Tauchmekka herrschen würden, ist den Fischern egal. Die leben nämlich vom Gefangenen. Und Weitsicht ist keine Tugend von Schwellenland-Regierungen. Wer heute Hunger hat, schmiedet keinen Masterplan. Verständlich.
Aber Nha Trang hat nicht nur das Meer als Einnahmequelle, sondern noch ein Ass im Rücken: Central Highlands. In den Bergdörfern des Hinterlandes vermuteten die Amerikaner während des Krieges die meisten Widerstandskämpfer. Der Wald war dicht, die Amerikaner wenig zimperlich, sie schütteten Millionen Tonnen des Giftes Agent Orange über die Gegend. Damit zerstörten sie die Natur nachhaltig, töteten und verkrüppelten Menschen, meist Zivilisten. Weil das Gift lange hält, ist es bis heute in Nahrungsmitteln nachweisbar, Vietnam hat eine der höchsten Fehl- und Missgeburtsraten der Welt. Man kann die Highlands nicht als unberührt bezeichnen.
Aber als nun schon lange in Ruhe gelassen. Dort fahren nur die Easyrider hin, Guides auf ihren Kleinmotorrädern, hinter sich einen Touristen und dessen Gepäck. Die wenigen Touristen haben hier noch keinen echten Schuhabdruck hinterlassen und sind gerne gesehen. Wir machten eine Viertagestour, ich nahm mir ein Motorrad für mich allein. Über diese Tour habe ich Ihnen viel zu erzählen. Daher habe ich eine Auswahl der besten Fotos als Link unten angestellt. Schauen Sie sich das in Ruhe an. Und ich ziehe mich nochmal zurück. An den Straßenrand. Und inhaliere.
Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia - Kaitaia - Cape Reinga - Matakohe - Tauchkurs in Tutukaka - Peninsula Coromandel - Auckland - Taupo - Napier - Wellington - Fähre auf die Südinsel - Picton - Takaka - Kaiteriteri - Punakaiki - Arthur's Pass - Christchurch - Twizel - Aoraki/Mount Cook - Dunedin - Te Anau - Milford Sound - Queenstown - Wakana - Franz Josef - Hanmer Springs - Kaikoura - Fähre auf die Nordinsel - Paraparaumu - National Park - Tongariro Crossing - Whanganui - Wellington - Rotorua - Auckland - Sydney (Australien) - Blue Mountains - Cairns - Great Barrier Reef - Cape Tribulation - Sydney - Tokyo (Japan) - Kyoto - Hiroshima - Osaka - Hongkong (China; selbstverwaltete Region) - Macao (China; sR) - Ho Chi Minh City/Saigon (Vietnam) - Cu Chi-Tunnels - Nha Trang - Motorradtour durch das zentrale Hochland () - Hoi An, nächstes Ziel: Hue.
Schnäppchen dieser Tage: In Vietnam kann man kein Schnäppchen nominieren: Friseurbesuch 2,80 Euro (70.000 Vietnamesische Dong), Essen ein bis drei Euro, Tagestour sieben US-Dollar (133.000 Dong), Tagesbusfahrt neun Dollar. Mein erster Eindruck von Vietnam: wie Südamerika, nur billiger. Und nach zwei Wochen und in dem Bewusstsein, dass ich als Tourist nie die billigsten Angebote bekomme, sage ich: Wenn Sie Geld für einen Flug, aber kaum eines für den Urlaub haben: Fahren Sie in diese Ecke. Noch etwas: Ich habe noch nie von billigeren Tauchgängen als in Nha Trang gehört. Für einen Tagestrip mit zwei Dives (inkl. Ausrüstung) und Mittagessen zahlt man hier ab 35 Dollar (rund 27 Euro). Es ist kein Great Barrier Reef, aber sehr schöne Korallen und ausreichend bunte Fische. Sogar eine Schildkröte und einen Oktopus haben wir gesehen.Nepp dieser Tage: Nepp ist hier das falsche Wort. Die Easyrider-Touren sind mit rund 55 US-Dollar (knapp 40 Euro) pro Tag und Person günstig, es sind schließlich Motorrad, Sprit, Versicherung, Unterkunft, Guide und Eintritte inklusive. Dennoch: Hier kostet die Tagesmiete eines Motorrades rund zehn Dollar (knapp 8 Euro), eine Unterkunft rund 20. Mit ein bisschen Geschick lassen sich diese Touren auf eigene Faust machen, um die Hälfte.
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