H'hubers Weltreise: Grenzgänge (Laos)
Die häufigste Frage nach acht Monaten Weltreise und 16 Ländern ist: "Welcher Ort ist der schönste?" Meine Antwort klingt nur pragmatisch: "Der nächste." Denn natürlich machen anderes Essen, fremde Menschen, exotische Geographien und eindrucksvolle Historien das Leben reisenswert. Aber über allem schwebt das Gefühl des Entdeckens. Die Faszination liegt stets im Blick hinter die nächste Ecke. Apropos Ecken: Laos ist eine besonders besondere.
Reist man für lange Zeit, findet man eine neue Ordnung: Momente großer Entdeckungen, mittlerer und kleiner. Dazwischen liegen das Begreifen, das Aufsaugen, manchmal auch das Sich-Einfinden. Und ganz selten findet man sogar seinen Platz im Fremden. Aber davon weiß man noch nichts, wenn man über eine Landesgrenze in ein neues Land eintritt. Grenzgänge verlieren nie den Reiz. Stempel, Visum, musternde Augen, Niemandsland. Aber vor allem der Moment größter Entdeckung: Ich reiße dann die Augen auf, atme tiefer ein, wende den Blick nicht ab. Ich suche den Unterschied, will wissen, ob man zehn Meter nach der Grenze sieht, dass man nicht mehr vor der Grenze ist. Und jüngst wurde ich verblüfft: Vietnam ist nur bis zur Grenze. Gleich danach fängt Laos an. Wenn Sie wissen, wie ich meine.
Das muss man sich so vorstellen: Die vietnamesische Schrift bedient sich großteils der gleichen Buchstaben wie unsere. Ich kann sie lesen ohne sie zu verstehen. Die laotischen, kunstvollen Mini-Zeichnungen sind für mich unlesbar. Hinter den nun voll-fremden Schildern stehen die Häuser auf Stelzen. In Vietnam standen sie alle auf dem Boden. Man erklärt mir, das sei in Laos so wegen des starken Regens und damit die bösen Tiere nicht ins Haus können. Weil Tiere und Regen aber grenzenlos sind, bleibt als Erklärung nur Kulturunterschied.
Hüben wie drüben zahle ich für Tägliches ungefähr denselben Preis. Aber während den in Laos sofort der Verkäufer nennt, muss sich in Vietnam der Käufer erst hinhandeln. Das verkürzt Kaufprozesse und lässt dem Verkäufer seinen selbstbewussten Stolz. Die Menschen fahren weniger oft auf Mopeds und tragen weniger oft Helme. Sie hupen seltener, nämlich nur, wenn es etwas zu hupen gibt. In Vietnam ist Hupen ein Hobby. Und die Mädchen auf den Mopeds vermummen sich in Laos nicht. Diesseits der Grenze scheint heller Teint kein Ideal zu sein. Die Mopedfahrer tanken ihre Gefährte bei Shell statt bei Petrovietnam. Obwohl auch Laos ein kommunistischer Staat ist. Die Essensbuden neben den Tankstellen haben statt der Plastikhocker meistens Steinbänke und -tische. Nein, das hat nichts mit Gemütlichkeiten zu tun, es fällt mir einfach nur auf. In Vietnam sieht man meist erdbraune Hügel, manchmal Berge. Gleich nach der Grenze sehe ich ein grünes, saftiges Land, das endlos eben scheint. Mächtig. Vor mir läuft ein Schwein über die Straße, was mir in Vietnam einen Monat lang nicht passierte. Aber das kann auch nur Zufall sein. Bei den Gockelhähnen glaube ich an Bestimmung: Sie sind hier prächtiger und unzerrupft. Entweder sind Hahnenkämpfe in Laos weniger populär als in Vietnam. Oder die Hähne hier sind Siegertypen.
Als mich die ersten laotischen Gesichter mustern, kann ich noch nicht wissen, was ich eine Woche später sagen werde: In Laos ist man freundlich, zuerst bekommt man ein Lächeln, in dem der ganze Respekt eines Menschen strahlt. Aber denken hätte ich es mir können, als mich vor einer Woche die ersten laotischen Gesichter musterten, die übrigens dunkler und weniger chinesisch sind als die vietnamesischen: Sie schauten zu mir, falteten die Hände ganz flach und hielten sie vors Gesicht, die Daumen an der Nase. Das Lächeln blitzt noch immer hinter den Händen und während der Kopf ein wenig nickt, sagen sie "Sabaidee". Es ist eine kleine, die übliche Geste der Begrüßung. In Vietnam, wo die Menschen mir auch sehr freundlich scheinen, ist dieser erste Moment der Begegnung oft ein "Buy? No? Please buy, make me happy, I'm not lucky today". Die einen wollen dir was verkaufen, die anderen wollen dich begrüßen.
Am fünften Tag in Laos sah ich, wie auf der Straße eine Gans unabsichtlich von einem Moped überfahren wurde. Alle anderen Gänse liefen auf die Straße, die größte unter ihnen breitete schützend die Flügel aus, als wolle sie die Unfallstelle sichern. Alle anderen zerrten das verletzte Tier von der Straße. Ich werde den Gedanken nicht los, dass laotische Gänse fürsorglicher sind als andere. Jetzt bin ich schon seit ein paar Stunden in Kambodscha, leider hatte ich nur diese eine Woche in Laos. Meine Nase schnüffelt. Und ich kann den Blick nicht abwenden.
Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia - Kaitaia - Cape Reinga - Matakohe - Tauchkurs in Tutukaka - Peninsula Coromandel - Auckland - Taupo - Napier - Wellington - Fähre auf die Südinsel - Picton - Takaka - Kaiteriteri - Punakaiki - Arthur's Pass - Christchurch - Twizel - Aoraki/Mount Cook - Dunedin - Te Anau - Milford Sound - Queenstown - Wakana - Franz Josef - Hanmer Springs - Kaikoura - Fähre auf die Nordinsel - Paraparaumu - National Park - Tongariro Crossing - Whanganui - Wellington - Rotorua - Auckland - Sydney (Australien) - Blue Mountains - Cairns - Great Barrier Reef - Cape Tribulation - Sydney - Tokyo (Japan) - Kyoto - Hiroshima - Osaka - Hongkong (China; selbstverwaltete Region) - Macao (China; sR) - Ho Chi Minh City/Saigon (Vietnam) - Cu Chi-Tunnels - Nha Trang - Motorradtour durch das zentrale Hochland (Buon Ma Thout, Kon Tum, Tac Glei) - Hoi An - Hue - Hanoi - Halong Bay - Ninh Binh - Tam Coc - Savannaketh (Laos) - Pakse - Bolaven Plateau - Champasak - Si Phan Don Islands/Don Kong Island - Kratie (Kambodscha), nächstes Ziel: Phnom Penh.
Schnäppchen dieser Tage: Ein paar Brocken Landessprache. Die kosten nichts. Und die Ernte ist reichlich.Nepp dieser Tage: Meine Busreise von Dong Ha (Vietnam) über die Grenze nach Savannaketh (Laos) dauerte zwölf Stunden und kostete mich 300.000 Dong (rund 12 Euro). Es gibt sie zu gleichem Preis schneller, vor allem muss man dann nicht bei der Grenze aus dem kleinen Bus aus- und nach der Grenze in einen sehr alten, langsamen umsteigen. Ich jedoch wurde geneppt, erwischte also die umständliche Variante. Da sagt man noch nix. Auch nicht, wenn der Minibus zur Grenze dann mit Einheimischen vollgeladen wird, die am Weg zusteigen. Und nichts sagt man, wenn die nur 10000 Dong (weniger als ein halber Euro) zahlen. Nur als die zwei Buberln, die mich legten, es sich in den zwei Frontsitzen urig gemütlich machten, während sie uns hinten schon zu fünfzehnt geschlichtet hatten, machte ich sie aufmerksam. Weil neppen okay, aber wenn dann g'schamster Diener, immer mit einem guten Schmäh.
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