Aus dem Tagebuch eines Reisenden
Ich fühle mich derzeit ein bisschen Reisebericht. Vielleicht weil Neuseeland die Heimat von Mount Everest-Debütant Edmund Hillary war. Oder weil nach dem fremden Lateinamerika diese größten Pazifikinseln wie ein Sonntagsspaziergang im Schönbrunner Schlosspark wirken. Oder aber weil Neuseeland kurz nach Wellsford ein bisschen Horner Bundesstraße wird. Lassen Sie mich das alles erklären.
Der Anfang war Auckland, die City of Sails. Je nachdem, mit wem man spricht, hat diese Stadt eine Bootspenetration von 15 bis 25 Prozent. Fast jeder vierte Auckländer besitzt ein Segel- oder Motorboot. Tret- und Ruder- werden hier nicht berücksichtigt. Dieser Schnitt kommt von der Lage dieser Stadt, rundherum Wasser, an der zerfranstesten Insel-Enge. Neben Booten hat Auckland viele flache Einfamilienhäuser - es ist an Fläche gemessen die zweitgrößte Stadt der Welt - und ein Zentrum, das rausgeputzt aus dieser Vorgartenwulst ragt. Die Hochhäuser und das Wahrzeichen Skytower findet man also easily.
Nach dreieinhalb Monaten Mittel- und Südamerika verstand ich plötzlich die Sprache, konnte mich detailliert ausdrücken, statt immer nur "Perdon una pregunta puedo donde blablabla". Die Straßen waren sauber und ohne Hunde. Fernsehsender verzapften wieder industrialisierte Weisheiten und verbreiteten US-Europäischen Trash. Die Speisekarte war wieder Auswahl statt Blindflug. Diesem aufkommenden Kulturschock versuchte ich zu entkommen, raus aus der Stadt. Ich bin also mit dem Mietauto Richtung Norden aufgebrochen. Ziel: Cape Reinga, Strecke unbekannt. Kleine Orte, deren Maori-Namen auf Englisch immer falsch klingen. Ich wartete auf Abenteuer hinter jeder Straßenkurve, und ja, deren gibt es viele in Neuseelands Norden. Abenteuer, wie ich es gewohnt war, aus den Ländern auf der anderen Seite des Pazifiks. Da waren aber keine Abenteuer. Nach einem, vielleicht erst nach eineinhalb Tagen wurde mir aber klar: Dieses Land mit dem Waldviertel zu vergleichen, ist blöd. Weil im Norden Österreichs kein Meer mit Sandstränden ist. Weil die Bäume anders aussehen. Und weil die Menschen nicht ganz so bemüht freundlich sein mögen. Aber los wurde ich ihn nicht mehr, diesen Vergleich.
Weil sich Waldviertel und Neuseeland so anfühlen: Man fährt, im Autoradio die Hits der 80er und 90er, die tollen Ausblicke zu wenig zum Stehenbleiben, zu viel zum Vorbeifahren. Und mit der Zeit wird das so langweilig, dass es schön wird. Wie eine komplizierte Fitzelarbeit, an die man schnell herangeht und nicht weiterkommt, bis man so langsam wird, dass sie in Schwung kommt. Wie den besonderen Satz, den man erst beim achtzehnten Sehen des Lieblingsfilmes bemerkt. Wie der Pinselstrich nach drei Jahren am Bild im Wohnzimmer. Wie die Liebe an sich, die man mit jedem Tag besser erklären kann, weil man mehr Gründe hat. Pathetik Ende. Nach und nach konnte ich der Fahrt durch Horn Umgebung etwas abgewinnen. Bei Ngunguru (again: stellen Sie sich diesen Namen auf Englisch ausgesprochen vor) hatte sich mein Kulturschock schon in den Kofferraum verzogen. Ich bog beim Schild "Bed & Breakfast" links ein und erreichte The Riverbank. Die Gastgeber Hilton, der Segler, und Melva, seine Frau mit den unsichtbaren polynesischen Wurzeln, waren liebenswürdig. An dieser Stelle müsste man darüber losschwärmen, wie offen und freundlich die Neuseeländer sind, müsste darüber nachdenken, ob das an der jungen Geschichte oder der Abgeschiedenheit oder der geringen Bevölkerung liegt. Aber die Geschichten von Hilton und Melva sind spannender.
Die beiden bauten das Riverbank erst vor einem Jahr. Davor seien sie 15 Jahre gesegelt, drei davon durchgehend. Die nächsten zwei Flaschen Wein waren Fiji, Cook Islands, Alaska, Einheimische, Eingeborene, gebrochene Kiele, Acht-Meter-Wellen, Stürme, Wale, Sonnenaufgänge, spiegelglattes Meer. Und nun sesshaft, auch weil sich Melva "im tiefsten Inneren einen Landmenschen" nennt. Naturburschin, sage ich, die beiden leben ohne Fernsehen und haben auf ihr Haus geschrieben:Es könnten Feen am Boden des Gartens sein Es gibt keinen Beweis dafür Aber du kannst nicht belegen, dass dort keine sind Sollten wir also nicht geistesoffen und respektvoll für Feen sein? (engl. Original "There may be fairies at the bottom of the garden…" vom britischen Gelehrten und Denker Richard Dawkins) Ich habe mich vor dem Schlafenlegen noch vor die Türe gesetzt, in den Busch geschaut und mich gefragt, ob es im Waldviertel auch Elfen gibt.
Die Route bisher: Wien - Madrid (Spanien) - San José (Costa Rica) - Tortuguero - Puerto Viejo - Manzanillo - Vulkan Arenal - Monteverde - San Juan del Sur (Nicaragua) - Isla Ometepe - Granada - SOS Kinderdorf Santa Ana (El Salvador) - Quezaltenango (Guatemala) - Puerto Arista (Mexiko) - Oaxaca - Mexiko City - Lima (Peru) - Paracas - Nasca - Arequipa - Puno/Titicacasee - Isla Amantani - Cusco - Machu Picchu - Lima - Punta Arenas (Chile) - Tierra del Fuego, chilenischer Teil - Ushuaia (Argentinien) - Isla Carlos III. (Chile) - Puerto Natales - Torres del Paine - El Calafate (Argentinien) - Buenos Aires - Mendoza - Valparaiso (Chile) - Santiago de Chile - Auckland (Neuseeland) - Wellsford - Ngunguru - Tutukaka - Kawakawa - Paihia, nächstes Ziel: Cape Reinga.Schnäppchen dieser Tage: In dem kleinen Örtchen Kawakawa stößt man als Österreicher auf eine Überraschung: Hier lebte und werkte für viele Jahre Friedensreich Hundertwasser. Er bildete Säulen, Hausfronten und das öffentliche Örtchen. Die Hundertwasser-Toilets sind gratis zu benützen. Das Museum von Kawakawa stellt viele seiner Arbeiten für Neuseeland aus (unter andere, ein "Use the public transport!"-Plakat), zeigt einen Kurzfilm, in dem der Künstler auf seinem Segelboot "Regentag" und seiner hier erworbenen Farm über das Leben und die Welt spricht. Sehr spannend und für nur einen zwei Neuseeländische Dollar (einEuro irgendwas) zu haben.Nepp dieser Tage: Der Medical Check zu meinem baldigen Tauchkurs hat 70 NZD (rund 40 Euro) gekostet und war durchaus sinnlos.
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