Galerien: Zerrissen im Kunsttrubel
Eigentlich sollte man viel öfter in Galerien gehen: Ungezwungen flanieren, sich konzentriert auf Werke einlassen, wirklich Neues entdecken, dabei nicht mal Eintritt zahlen - Galerienbesuche sind eine der nettesten Möglichkeiten, Kunst zu sehen. Doch wer hat heute schon Zeit zum Bummeln? Die Sonderprogramme, mit denen Galerien heute versuchen, das entscheidende Stückchen Extra-Aufmerksamkeit zu generieren, helfen dabei nicht wirklich, und heuer ist es besonders schlimm. Nur noch bis Ende nächster Woche läuft nämlich das Wiener Galerien-Programm "Curated By", das heuer schon zum vierten Mal über die Bühne geht. Als der heutige MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein die Idee in seinem früheren Job als Chef der Wiener Förderagentur "departure" ausbrütete, galt es, den Galerienstandort Wien sowohl in der Fachwelt als auch beim Wiener Publikum aufzuwerten: Das Programm sollte nicht bloß "Event" sein, sondern auch inhaltlich Neues bieten; mit Hilfe von Fördermitteln eingeladene Gastkuratoren sollten helfen, die Routinen der Galerien beim Pushen ihrer "Hauskünstler" zu brechen.
Im Messetrubel verpufft
So weit eine gute Idee. Um auch kaufwillige Sammler in die Galerien zu locken, wurde das Programm aber auch zeitlich an die Kunstmesse "Viennafair" angekoppelt. Und diese rutschte - dank eines neuen Eigentümers - heuer in den Herbst, eine Zeit, in der neben der Messe auch noch zahllose Museen ihre großen Herbstausstellungen eröffnen. Schon für hauptberufliche Rezensenten war dieses Angebot eine ziemliche Überforderung - für viele andere Kunstfreunde ist es schlicht nicht zu schaffen. Dabei wären viele der kuratierten Galerieausstellungen äußerst sehenswert: Etwa die schöne Installation von Sudarshan Shetty in der Galerie Krinzinger (dort startet auch am Samstag, den 20.10., um 13 Uhr eine geführte Tour durch einige Galerien). Der Inder Shetty hat eine Pagode in die Galerie gestellt, in der ein Wasserstrahl an Vergänglichkeit gemahnt; auch eine Reihe von alten Türen, die mit einem Spruchband zu einem Kunstwerk verbunden wurden, holt auf sehr poetische Weise Gedanken an Vergangenes, Verblichenes in den Raum.
Unweit davon, in der Galerie Lukas Feichtner, hat das New Yorker Team Martha Kirszenbaum & David Harper eine Ausstellung über Denkmäler zusammengestellt: Hier läuft unter anderem ein Video von Aleksandra Domanovic, das allerhand seltsame Monumente an seltsamen Orten Ex-Jugoslawiens dokumentiert. US-Stars wie Orson Welles, Bill Clinton, Jonny Depp oder Tupac Shakur, so stellt sich dabei heraus, werden in dieser Region gern in Stein gemeißelt oder in Bronze gegossen. Was all diese künstlerischen Ansätze mit dem luftigen Überthema "Kunst oder Leben - Ästhetik und Biopolitik" zu tun haben, erschließt sich aber nicht wirklich. Und beim weiteren Gang durch die Galerien verstärkt sich der Eindruck, dass der inhaltliche Leitfaden nicht mehr ist als ein schönes Dach, unter das etwas verräumt wird, was die Galerien ohnehin tun würden.
Auch das bedeutet nicht zwingend schlechtes Programm: Die reichlich unheimlichen, toll inszenierten Marmorskulpturen von Jan Fabre in der Galerie Mauroner etwa sind absolut sehenswert; die Relikte der teils selbstzerstörerischen Performances von Roberta Lima geben Einblick in ein kompromissloses Werk. Aber in beiden Fällen gehören die Künstler zum "Stammpersonal" der Galerie, Bezüge der Ausstellungen untereinander sind kaum herzustellen. Darüber, wie es mit "Curated By" weitergeht, lässt sich nur mutmaßen: Die neue Leiterin von "departure", Bettina Leidl, hat das Format von ihrem Vorgänger übernommen, und es ist ihr nicht übelzunehmen, wenn sie das Projekt nicht mit dem gleichen Enthusiasmus verfolgt wie er. Allerdings hat sie sich zur Weiterführung bekannt, und es wäre auch schade, das Programm sterben zu lassen - was nichts daran ändert, dass Nachbesserungen nötig sind.
Als Initiative der Wiener Szene hat sich "Curated By" neben der Vielzahl der "Gallery Weekends" in europäischen Hauptstädten durchaus einen Status verschafft, der in der internationalen Fachwelt auffällt. Das wäre ein Anlass, das Programm aus dem herbstlichen Kunstevent-Trubel zu lösen und zu einer anderen, weniger überladenen Jahreszeit heller strahlen zu lassen.
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