Oh, it's a Frühling!
...und feiert die geilste Zeit des Jahres.
Kann sein, dass es noch einmal schneit, höre ich die junge Frau an diesem zweiten Märztag an der Bar zu der anderen jungen Frau sagen, aber zum nächsten Festl geh' ich garantiert ohne Slip. Und jetzt zwo Prosecci mit Waldmeister, bitte. Im Baumarkt, etwas später, erschlägt sich das Publikum. Mit oder ohne Slip ist hier nicht das Thema, dafür horten alle Erde, Samen, schweres Gartengerät. Laternen auch und, komisch, sogar schon Sonnenschirme - gelb, heiter. Der Winter wird im Restmüll entsorgt, alles brüllt nach Klimaerwärmung. Am liebsten, Schatzerl, würde ich heut' Nacht auf dem frisch geputzten Balkon pudern, flüstert die Dame hinter mir dem Mann mit dem froschgrünen Gartenschlauch in der Linken zu. Heast! sagt er und grinst geniert. Seine Rechte wetzt verhalten am Popscherl der Fee. Irgendjemand twittert per Handy Lapidares: Sonne - geil! Ungewöhnliches trägt sich zu. Erstdiagnose: Frühling. Li-la-Lenz! Los geht's: durchputzen, lüften, freier und vor allem depperter sein als sonst. Die Gier, neu und anders zu beginnen, steht den Menschen ins Gesicht geschrieben. Zur lauen Luft gesellt sich eine feine Bauernregel: Steigt der Saft in die Bäume, erwachen die Frühlingsträume. Die Sonne, Leute: März, April und Mai! Auch der Hase rammelt schon. Licht macht Lust. Die Hormone tanzen Mambo. Jetzt spielen Körper und Seele verrückt, sagen Experten. Sooo genau will das keiner wissen, Hauptsache: Es! Ist! Und das, bitteschön, völlig ohne Drogenkonsum. Auch nicht übel: Die Menschen lächeln wieder. Einfach so, entrückt fast. Sogar die Hunde haben mehr Spaß. Die Welt duftet. Bärlauchsuppen. Bärlauchstrudel. Bärlauchflecken. Bärlauchorgasmen. Erste Erdbeeren? Noch nicht, aber bald. Und Spargelspitzen. Wir gehen erst einmal nur Freiluft-Cappuccino trinken und sehen den Glanz in den Augen des anderen Geschlechts, das in unserer brunftig gewordenen Fantasie verhaltensauffällig an einer XL-Tüte Schoko-Vanille-Eis leckt. Feuchter Frühling, frecher Frühling. Das Zwischenmenschliche auf Vibrationsalarm. Dazu die adäquate Lektüre: "Oh, ja", sagte er. "Du glitzerst . . ." Sie begann ihn zu küssen, seine Brust zu küssen, ihr Gesicht über die weichen, apfelsüßen Haare zu reiben und verspürte plötzlich ein starkes Verlangen nach den Gerüchen und Beschaffenheiten der männlichen Haut. "Hol das Kondom", hörte sie sich sagen. "Sicher?" "Mmm." "Ich hab's schon." "Ich muss verrückt sein", sagte sie. (Aus: "Die Steuerfahnderin", Peter Carey). Joi. Joi. Joi. In der Sonne sitzen, die Augen schließen. Denken - an Geschichten, die nur der Frühling schreiben konnte. An Küsse im Beserlpark. An Sex im Auto. An die Höhenstraßen-Spanner. An den verklärten, verliebten Blick über die Stadt. An den ersten Heurigenbesuch der Saison. Zwei weiße Spritzer - noch im Mantel, aneinander gekuschelt - im Freien. An die Sehnsucht, eine fremde, andere Hand zu halten. An die Lust, sich zu verändern, sich frisch zu erfinden und zu spüren. Irre, irgendwie. Gut, dass der ganze Wahnsinn wieder vorbeigeht. Aber auch verdammt gut, dass es ihn gibt.
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