Die freizeit-Sexkolumne im Weblog: Erotisch ergriffen.

Wo die Liebe hinfällt, dürfen auch die Fetzen fliegen. Müssen sie sogar! Denn eigentlich gibt es kaum etwas Besseres als den Koitus nach dem Krach. Motto: Gibs mir kalt, gibs mir warm.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Als Antithese zum Höflichkeits-Akt greift Versöhnungssex nach dem Körper - und nach der Seele. Das befreit oft einmal mehr als ein 20-Kilometer-Lauf.

So gut wie auf jedem zweiten Baum, da draußen in der Vorstadt, pickt derzeit ein Plakat mit dem Konterfei des Kollegen Dieter Chmelar, der von Herrn Alfons Haider ins Ohr gebissen wird. Kalt Warm heißt das Stück, in dem die Beiden sich's (natürlich verbal) geben. Und die Pointen hat ihnen ebenfalls eine Kollegin in den Mund gelegt - die Polly nämlich, die reizende Angelika Hager. Ich denke mir, das kann nur heiter werden, da freu' ich mich total aufs Zuschauen, Lachen, Nachdenken (Theater Akzent, ab 2. Februar). Aber zurück zur Mutter dieses Gedankens, zur prickelnden Wortverbindung Kalt Warm nämlich. Die mag ich, die löst wohlig-angemessenen Bluthochdruck aus. Die steht für ein zwischenmenschliches Lustprinzip jenseits des Liebens in dezentem Braun-Beige-Ton. Kalt Warm - das ist Reibung, ist Mut, sich so herzhaft zu konfrontieren, dass man einander zum Teufel wünschen würde. Jawohl! Laut, ordinär, leidenschaftlich, liebend, nah. Im Extremfall wird's halt ein bissel extrem. Und? Allemal besser als faules Arrangieren im einschläfernden Fried-Hof, wo Reizthemen nie angegangen, sondern stets elegant umschifft werden: Schatz, dein Outrieren ist aber sowas von schrill und undamenhaft. Ein etwas erwachseneres Verhalten wäre meines Erachtens höchst angemessen. Reißen wir sich also tunlichst zusammen. Pah! Also ich kann einfach nicht mit Typen, die das Schwanzeinziehen als Lebensgewohnheit erkoren haben - weil's bequem ist, weil es sich so gehört, weil Streiten unsachgemäße Kinderei ist. Abgesehen davon versäumen die alle etwas - nämlich das Zweitbeste, was es punkto Vögeln gibt: Versöhnungssex. Das totale Tigerfeeling - Intimes Beißen-Kratzen-Ineinanderversinken. Aggressiv, vereinnahmend, die Antithese zum Höflichkeits-Akt. Also: total und tief. Vielleicht ein paar psychologische Anregungen dazu - bevor jetzt die Darf-man-denn-das?-Fraktion die Peitschen schwingt: Das Verb aggredi bedeutet einfach nur, sich auf etwas zuzubewegen, auf etwas zuzugehen, es angehen. Der Psychotherapeut und Autor Peter Schellenbaum schreibt dazu: "Aggressiv sein meint also, ohne unpassendes Hin und Her auf ein Ziel loszugehen. Jede Aggression bedeutet Verbindung." Verdrängte Wut sei ein Sexualhemmer. Und: "In allen Liebesbeziehungen besteht ein natürlicher Zusammenhang zwischen aktivem Eingreifen, zu dem aggressionsgehemmte Menschen nicht fähig sind, und erotischer Ergriffenheit." Ohne Spannung keine Entspannung. Lebendig Liebende spüren also auch einmal Wut, verdammen einander - Streit löst sie aus Starrheit, Fadesse und Einsamkeit. Schluss mit der Beziehungsnarkose - guckguck, ist da jemand? Schlafzimmer-Weisheit zum Wochenende: Zwei, die sich - wenn's sein muss - nicht anschreien können, werden sich auch im Bett anöden. Kalt Warm: Dann schon lieber hie und da einmal fein fetzen, um anschließend fein zu ficken. Muss ja nicht immer so sein, aber zuweilen geht das schon.Tipp: Gabriele Kuhn liest am 20.1. um 19.30h aus ihrem neuen Buch "Alles. Nur nicht perfekt" bei MORAWA, Wollzeile.

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