Nikita Shalennyi: Where Is Your Brother?

Nikita Shalennyi, Where is Your Brother?, 2013/14, photo
Ukrainische Polizisten und Demonstranten, vereint in einer Rembrandt-Komposition.
Michael Huber

Michael Huber

Da hat man sich schon daran gewöhnt, Kunst als ein in sich geschlossenes, abgekoppeltes System zu betrachten - und plötzlich bezeichnet jemand Kunst als "zentrales Medium der Revolution".

Konstantin Akinsha, der Kurator der aktuellen Schau "I Am A Drop In The Ocean" im Wiener Künstlerhaus (bis 23. Mai), hat mit seiner Behauptung recht, denn die Proteste am Maidan-Platz haben tatsächlich eine eigene Ästhetik hervorgebracht. Die Schau zeigt dies mit zahlreichen Dokumentationsfotos sehr anschaulich.

Doch die ukrainische Revolution inspirierte auch Künstler in ihren Ateliers, darunter Nikita Shalennyi, der sich zu einer ganz besonderen Foto-Arbeit entschloss: Er bat Demonstranten und aktive Polizisten, für Fotos zu posieren, die nach dem Vorbild großer Bilder aus der Kunstgeschichte arrangiert waren.

Nikita Shalennyi: Where Is Your Brother?
Rembrandt: Die Anatomie des Dr. Tulp, 1632

"Where Is Your Brother" stellt die "Anatomie des Dr. Tulp" nach, ein Gemälde von Rembrandt aus dem Jahr 1632. Das "Opfer" ist ein Demonstrant, die "Ärzte", die den Mann sezieren, sind vermummte Einsatzkräfte _ könnten aber auch die Brüder des vermeintlich Toten sein.

Shalennyi spricht mit seinem Werk pointiert darauf an, dass im Zuge der Maidan-Revolution Menschen oft gezwungen waren, auf zwei Seiten zu kämpfen. Sein Bild ist brisant, und doch verharrt es im System der Kunst und Kunstgeschichte: Der Rückgriff auf Rembrandt ist ein schöner beweis dafür, dass die Werke der Alten Meister auch im Digital-Zeitalter zu den prägnantesten Bildern überhaupt gehören.

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