Wie Missbrauch am besten funktioniert

Hermetisch geschlossene Systeme sind der Nährboden für Kindesmissbrauch.
Doris Knecht

Doris Knecht

Das gab's immer schon. Und jetzt wird - wenn nötig auch gegen den Widerstand der Kirche, - endlich auch darüber geredet, was in deutschen katholischen Internaten vorgefallen ist. Und vermutlich noch immer vorfällt.

Der deutsche Missbrauchsskandal weist erstaunliche Parallelen zu einem österreichischen auf, nämlich jenem der Mühl-Kommune. Das beweist erstens, dass Kindesmissbrauch nichts mit Ideologie zu tun hat: Die 68er und ihre lockere Sexual-Moral sind an derartigen Vergehen keineswegs schuld. Überhaupt hat die Sache, wie auch Kollege Tartarotti schon deutlich formulierte, mit Sex eigentlich nichts zu tun. Es geht beim Kindesmissbrauch nur vordergründig um das Ausleben von Sexualität: Es geht um Macht und die billigste, brutalste Form ihres Missbrauchs. Die Parallelen zeigen zweitens, dass kollektiver Missbrauch in hermetisch geschlossenen Systemen am reibungslosesten funktioniert, deren Mitglieder sich ihre eigene Realität, ihre eigenen Kodizes etablieren und legitimieren. Dass der Mensch - speziell der männliche - in von äußerer Kontrolle geschützten Labor-Situationen dazu neigt, sich sein eigenes Wertesystem außerhalb der rechtlichen Normen und des sozialen Konsenses zu errichten. Frauen übernehmen in solchen Systemen - genauso wie beim innerfamiliären Missbrauch - häufig den traurigen Part der Komplizinnen, der Schweigerinnen und Wegschauerinnen, die sich in ihrer Machtlosigkeit so gemütlich eingerichtet haben, dass sie die Gewalt-Hierarchie nicht mehr sehen: Und die noch viel Schwächeren, die sie als Erwachsene zu schützen hätten. Da wie dort hielt die Schweigemauer über Jahre und Jahrzehnte. Jetzt stürzt sie ein: Und mit ihr hoffentlich das System dahinter.

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