Der Exodus der Unerhörten

Da ist sie schon: die Austrittswelle.
Doris Knecht

Doris Knecht

Die Zahl der Menschen, die dieser Tage die Kirche verlassen, geht allmählich in die Tausende: die normale Reaktion auf einen Kirchenskandal. Allerdings ist das der größte seit Jahrzehnten. Und das Schweigen des Papstes maximiert ihn täglich. Viele von denen, die der Kirche jetzt offiziell den Rücken zukehren, waren seit Jahren nicht mehr aktiv und haben nur auf einen Anlass gewartet. Aber viele tun es aus tiefster Resignation: Und um die sollte es der Kirche leidtun. Ihr Austritt ist Ausdruck und Resultat ihrer Machtlosigkeit und ihres Unerhört-Seins, er sagt: Unsere Idee von Kirche und Religion wird pervertiert, unser Glaube, unsere Ideale finden sich in dieser Kirche nicht wieder, unsere humanitäre und emanzipatorische Haltung spielt im großen Ganzen keine Rolle. Wir werden nicht gehört: Das ist nicht mehr unsere Kirche, unsere Religion. Aber die, die Idealisten, die Basiskirche-Menschen, die Reform-Katholiken und die Frauen: Das sind genau jene, die die Kirche für ihre innere Erneuerung jetzt am dringendsten bräuchte. Und die sagen mit ihrem Austritt jetzt immer zahlreicher: Nein. Ein Nein zu den Kindesmissbrauchsskandalen. Ein Nein zum kirchlichen Werteverlust. Ein Nein zur wachsenden Realitätsferne der katholischen Kirche. Aber auch ein Nein zur Struktur der Amtskirche; zu ihren Hierarchien, zu ihrer Geschlossenheit und Abgeschottetheit, die innere Korrektive und äußere Kontrolle verhindern: und die etwas Derartiges wie diesen Missbrauchs-Flächenbrand überhaupt erst ermöglichten. Und es ist ein Nein zu der Arroganz, mit der der Vatikan agiert und auch diese Sache einfach aussitzen will. Aber nicht einmal dieses laute, deutliche Nein will der Vatikan hören. Noch nicht.

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