Welt-Reise, Tag 76 - Großbritannien

Welt-Reise, Tag 76 - Großbritannien
Zwei KURIER-Reporter reisen in 80 Arbeitstagen um die Welt. Und berichten von unterwegs über erfolgreiche österreichische Exporteure

Der Müll und die Menschen

Wer mit British Airways fliegt, landet in London Heathrow, am neuen, hochmodernen Terminal 5. Dort steckt auch einiges an Technologie aus Österreich drinnen: Von der Beleuchtung über Kommunikations- bis hin zu Kontrollsystemen. Gerne hätte man sich bald nach der Landung in London mit Vertretern der österreichischen Firmen getroffen. Doch auf Flughäfen ist heute nichts mehr einfach. Macht nix. Unweit des Flughafens im Südwesten der Stadt, in Slough, tut sich ein ganz anderer Österreich-Bezug auf. Stolz führt dort der Operation Manager des privaten Müllentsorgers Grundon durch die neue Sortieranlage. Papier, Metall, Plastik, auch Glas: In einer Stunde können hier 25 Tonnen Müll getrennt werden. Die High-Tech-Anlagen mit ihren speziellen Infrarot-Kameras kommen von der Firma BT Wolfgang Binder GmbH aus Gleisdorf in der Steiermark. Das United Kingdom gilt heute als ein gesättigter Markt. Exporteure benötigen hier einen langen Atem, um Fuß zu fassen. Und ein Produkt, mit dem sie den Hiesigen ebenso wie den Konkurrenzfirmen um Längen voraus sind. Sehr gefragt ist weiterhin Umwelttechnologie aus Österreich. Manuela Suttnig, die den steirischen Anlagenbauer in Nordeuropa vertritt, erklärt beim Rundgang durch das neue Zauber-Werk, dass hier sieben Sortieranlagen mit dem klingenden Namen Redwave in Betrieb sind. Diese laufen sieben Tage - Woche für Woche. Hin und weg sind die britischen Geschäftspartner von der Option, dass sie mit den Anlagen aus Österreich auch Glas aussortieren können. Was in Österreich nicht weiter als Besonderheit gilt, bedeutet hier einen enormen Wettbewerbsvorteil: Das getrennte Glas kann der Firma, wenn der Preis passt, zusätzlich Geld bringen, während die Mitbewerber für dessen Entsorgung teuer blechen müssen. Die junge Umwelttechnikerin aus Bad Kleinkirchheim sitzt viel im Flugzeug. Doch ihr Einsatz macht sich bezahlt: Der Markt benötigt weiterhin Recycling-Anlagen. Die Europäische Union verlangt von ihren Mitgliedsländern, möglichst viele Rohstoffe zur Wiederverwertung aus dem Müll heraus zu holen. Ihre Firma, die sich ursprünglich mit Mischanlagen für die Bauindustrie einen guten Namen gemacht hat, beschäftigt heute 65 Mitarbeiter. "Der Müll verändert sich", erzählt Manuela Suttnig von einer Sonderform der Soziologie. "Er lebt mit den Menschen." Wer hätte noch vor ein paar Jahren gedacht, dass täglich Millionen leerer Espresso-Kapseln den Müllberg anwachsen lassen? Und wer denkt heute daran, dass diese Kapseln die Entsorger vor neue Aufgaben stellen? Die nächste Herausforderung für die Verdau-Maschinen ist hingegen vorprogrammiert: In vier Wochen heiratet in London ein Prinz namens William. Und da wird wieder extrem viel Papier an- bzw. abfallen - für die Sonderausgaben der Yellow Press. Auch sie werden dort enden, wo alle enden - in jener Redwave-Maschine, die sie aussortiert und zu Papier-Ballen presst.

Jeder Zeit ihre Zeitung

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Wir erinnern uns zurück: Im Jänner 2011, siehe Tag 34 dieser Weltreise, fuhr man noch recht unbedarft U-Bahn, in Tokio. Keine Rede von Tsunami, Fukushima, Kernschmelze, verstrahltem Grundwasser, verstrahlten Menschen. In jener Zeit konnte man sich noch Fragen wie dieser hingeben: Was fühlt eigentlich die junge Frau, die seit elf Stationen einen Mobiltelefon-Roman liest? Jeder Zeit ihre Fragen. Auffallend war damals jedenfalls, dass praktisch jeder Japaner in der U-Bahn intensiv mit seinem smarten Mobiltelefon kommuniziert. Zwei Monate später im Londoner Untergrund: Kaum einer hantiert hier mit seiner tragbaren Elektronik. Hier lesen die Menschen noch Zeitung. Richtige Zeitungen. Keine billig produzierten U-Bahn-Zeitungen. Und sie lesen darin von den Japanern. Dass denen schön langsam die Lebensmittel ausgehen. Und auch der Strom für ihre Telefone. Bald wird man sie nicht einmal mehr anrufen können. Beschissene Welt!

Wohl fühlen im Büro

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Arbeitsteilung beim Büromöbelhersteller Bene: Während die Marketingexpertin Sonja Mayrhofer im Londoner West End mit den angesagtesten Innen-Architekten der Stadt und den angesehensten Firmen der Welt Kontakt hält, können sich ihre Kollegen in der Firmenzentrale im schönen Ybbstal auf das Wesentliche konzentrieren: Auf das Bauen von Büromöbel. Der Londoner Showroom von Bene ist ein Nabel zu Welt. Die modernen Bürolandschaften der Niederösterreicher sind auch nicht ganz zufällig in der sündteuren John Street ausgestellt: Hier befinden sich auch die Büros der Büro-Planer. "Wir sind erfolgreich, weil wir kundengerecht arbeiten", sagt Mayrhofer, die seit vier Jahren Bene in Großbritannien vertritt. Ihre Kundenliste ist vom Feinsten. Kleiner Auszug: Auf Bene arbeiten die Angestellten in der Geschäftsstelle des FC Arsenal London, Journalisten der BBC, Makler der Londoner Börse, Berater der Boston Consulting Group, Kreative der Such-Maschinen-Firma Google, Rechtsanwälte, Banker, Finanzberater. Die Tüftler aus Waidhofen an der Ybbs haben mit diesen Welt-Leuten nur indirekt zu tun. Ihre Firma ist in Österreich Marktführer. Jedes dritte Büro im eigenen Land ist mit Bene ausgestattet. "In der Welt draußen sind wir dagegen klein", weiß die Markenexpertin. Daher brauche es exklusive Konzepte, Flexibilität in der Tischlerei und eine exzellente Kundenbetreuung. Inseln der Ruhe, Zonen der Kreativität und der Bequemlichkeit - heute baut man bei Bene auch auf den Wellness-Faktor. Der ist insofern wichtig, als der Büro-Mensch von heute den Großteil seiner Zeit an seinem Arbeitsplatz verbringt. Der Faktor Wellness ist inzwischen weltweit gefragt. Nach dem Krisenjahr 2010 sagt Sonja Mayrhofer, dass sie heute wieder "deutlich mehr busy" ist.

Luxus - aus Österreich

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Friedrich Wille gönnt sich den Luxus, den Luxus der Zeit. Gut, er hatte am Vortag beruflich in London zu tun. Doch er hätte auch gleich wieder nach Wien zurück fliegen können. Wollte er aber nicht. Und so kann der Inhaber der Wiener Schmuck-Manufaktur Frey Wille heute persönlich vor der luxuriösen Boutique in der Nähe des Piccadilly Circus posieren. Frei ist der Wille. Sein Wille geschehe. Das Sympathische an diesem Firmenpatron: Er rückt gleich zu Beginn "die ausgezeichnete Arbeit" seiner Mitarbeiterinnen aus dem Hinter- in den Vordergrund seiner Betrachtungen: Da sind zunächst einmal die Kunsthandwerkerinnen in der Wiener Gumpendorfer Straße, auf deren Arbeit der bunte Reichtum in den Vitrinen basiert. Da sind aber auch all die Verkäuferinnen draußen in der Welt. Frey Wille ist heute mit 84 Geschäften im In- und Ausland vertreten. Seit 1997 auch in London. "Unser Schwerpunkt liegt immer noch in Europa", führt Friedrich Wille aus. Seine Firma wurde vor sechzig Jahren von der Schmuckdesignerin Michaela Frey in Wien ins Leben gerufen und wird auch in ihrem Sinne weiter geführt. Heute versteht sich der Geschäftsmann als "ein Botschafter für Österreich". Geben und Nehmen: Klimt, Mucha, Hundertwasser, Frey Wille profitiert vom positiven Image der Kulturnation im Herzen Europas, auf der anderen Seite profitiert die Republik von den geschäftlichen Erfolgen der Firma. Anders als Andere weist der Herr Doktor stets darauf hin, dass der Schmuck in Wien produziert wird: "Wir verkaufen mit jedem Stück auch ein Stück Österreich." Das ist insofern bemerkenswert, als Österreich - anders als Frankreich oder Italien - heute wenig Tradition im Luxussegment vorweisen kann. Den geschäftlichen Fortgang wertet der Schmuck-Verkäufer durchaus positiv: Der Umsatz steigt von Jahr zu Jahr. Im Krisenjahr 2009 konnte man sogar 21 neue Geschäfte eröffnen. Alleine in Russland sei man bereits zwanzig Mal vertreten. Friedrich Wille kann also zufrieden sein. Vor bald zwanzig Jahren hatte er die Idee, eine bekannte Marke aufzubauen. So etwas funktioniert nie von heute auf morgen. Doch seine Mitarbeiterinnen und er scheinen auf einem guten Weg zu sein.

London calling

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Die Straßen rund um den Piccadilly Circus im Londoner West End - ein weltweit bekanntes Symbol für den Puls der Zeit. London zieht auch heute junge, sehr gut ausgebildete, kreative Leute wie ein Magnet an. Alle wollen sie hier etwas lernen, etwas bewegen. Doch nicht alle können sich von Start weg durchsetzen. Die Mehrzahl der Zugereisten nimmt große Entbehrungen auf sich, nur, um am Rande dabei sein zu dürfen. So arbeiten auch in den Boutiquen von Frey Wille vorwiegend Akademikerinnen. Selbst Manager mit Top-Ausbildung verzichten wiederum darauf, sich ein Haus zu kaufen und einen Baum zu pflanzen. Dazu müssten sie nämlich nach Österreich zurück gehen. Wohnen ist hier in London so teuer, dass viele junge Exporteure bis spät in die Nacht arbeiten und dann irgendwo in einer Wohngemeinschaft Quartier beziehen, besser gesagt in einem Zimmer mit desolaten Fenstern und Substandard-Einrichtungen.

Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.

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