Welt-Reise, Tag 74 - Rumänien/BiH

Welt-Reise, Tag 74 - Rumänien/BiH
Zwei KURIER-Reporter reisen in 80 Arbeitstagen um die Welt. Und berichten von unterwegs über erfolgreiche österreichische Exporteure

Eine Sauerei!

Streng genommen ist das eine große Sauerei: Dass ausgerechnet ein Wiener so viel von der Schweinezucht versteht, und dass ausgerechnet ein Wiener sein Wissen auch rumänischen Bauern frei Haus liefert. Martin Prissnitz lacht verschmitzt. Ja, es stimmt, er ist an in Wien-Döbling aufgewachsen, im Bezirk der feinen Leute. Doch er kann alles erklären: "In den Sommerferien haben wir regelmäßig Urlaub auf dem Bauernhof gemacht." Als Stadtkind konnte er sich im oststeirischen Sankt Jakob im Walde nicht nur mit dem Bauernsohn, sondern auch mit der Arbeit im Stall schnell anfreunden. Gewiss hatten auch seine Eltern eine andere Idee. Doch was blieb ihnen anderes übrig? Sein Wunsch, in der Landwirtschaft zu arbeiten, war am Ende größer als ihre Vorbehalte. Und gut ist es gewesen. Denn wenn der Geschäftsführer von Pig.at über die Schönheit der Schweinezucht zu erzählen beginnt, dann steht außer Zweifel: So viel Leidenschaft wird mit Sicherheit belohnt. Viele Produkte aus Österreich, auch Österreichs Säue, werden in einer Nische gehandelt. Auch sie werden in kleineren Mengen geliefert, haben ihren Preis, werfen dafür doppelt so viele Ferkel wie die Artgenossen aus Dänemark. Und wenn der Eber einmal nicht springen will (zur Befruchtung antritt), gibt der Pig.at-Mann wertvolle Tipps. Zum Beispiel: "Schweine sind keine Maschinen, man muss ihnen auch ein bisserl Zeit geben, dass sie sich an die neue Umgebung gewöhnen." Wenn es sein muss, stellt der Vertreter vom nö. Züchterverband die Schweine auch persönlich zu. Mit dem eigenen Anhänger. Dabei betont er, dass bei den Transporten von Österreich nach Rumänien "noch nie ein Tier gestorben ist und auch noch kein einziges verletzt wurde". Wichtig ist ihm auch folgender Hinweis: "Die Rumänen haben genauso viel Angst, von uns über den Tisch gezogen zu werden, wie wir von ihnen." Prissnitz spricht inzwischen gut Rumänisch, und die Bauern haben zu ihm Vertrauen: "Es ist schön, wenn man sein Wissen weitergeben kann."

Das Österreicher-Dorf

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Bukarest ist im Vergleich zu anderen Destinationen dieser Reise ein Dorf. Ein großes Österreicher-Dorf. Kaum eine Woche vergeht ohne einer Veranstaltung mit rot-weiß-roter Beteiligung. Lädt beispielsweise Rudolf Lukavsky, der emsige österreichische Wirtschaftsdelegierte für Rumänien, wieder zu einer Veranstaltung, kann er gut und gerne hundert Firmenvertretern die Hand schütteln. Bukarest gilt auch nach der Wirtschaftskrise als beliebter Ausgangspunkt für Exportgeschäfte. Marktchancen für österreichische Unternehmen sieht Lukavsky "in praktisch allen Bereichen". Derzeit besonders gefragt: Alternativenergie und Umwelttechnologie. Weil Rumänien dringend neue Auto- und Eisenbahnverbindungen benötigt, weil es im Land auch zu wenige Kläranlagen gibt und die veralterten Kraftwerke saniert werden müssen, sieht er auch im Infrastruktur-Bereich weiterhin viel Potenzial. Österreich ist in Rumänien gern gesehen. Als zweitgrößter Auslandsinvestor. Nur die Niederländer sind wirtschaftlich mehr mit dem neuen EU-Land verbunden. Der Wirtschaftsdelegierte betont, dass er in seiner Firmendatei mehr als 600 österreichische Niederlassungen verzeichnet hat. Die Zahl der rumänischen Firmen mit österreichischer Kapitalbeteiligung gibt er mit 5933 an. Nicht verschweigen möchte Lukavsky, dass die Korruption in Rumänien weiterhin ein Thema ist. Der Insider sagt so: "Es gibt auch Ausschreibungen, vor allem im lokalen Bereich, bei denen österreichische Unternehmen gar nicht mehr mitbieten."

Kreativ gegen Krieg

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Genosse Tito, wir schwören: Wir werden deinen Pfad nicht verlassen! An den Wänden der alten Batterie-Fabrik in Srebrenica ist noch immer eine ganze Menge Geschichte ablesbar. In den Graffitis auch die blanke Angst der 300 niederländischen UN-Soldaten, die im Juli 2005 zusehen mussten, wie mehr als 25.000 Menschen vom serbischen General Ratko Mladić in eine Falle gelockt wurden und nach Geschlecht separiert wurden. Die Soldaten haben dann auch das Peitschen der Schüsse gehört, die sie ihr Leben nicht vergessen werden. Mehr als 8000 Schüsse. Der kleine Ort Srebrenica ganz im Osten von Bosnien, heute in der Kunstrepublika Srpska gelegen, hat traurige Berühmtheit erlangt. Inzwischen wird er von Historikern auch in einem Atemzug mit Auschwitz genannt: Zwischen dem 11. und 19. Juli fand hier in der Gegend Europas größter Genozid nach dem Jahr 1945 statt. Wie das Unfassbare fassbar machen? Mit dieser Frage haben sich auch zwei Architekten aus Österreich intensiv beschäftigt: Christoph Hinterreiter und Gerhard Wochein. Beide hatten zuvor in Sarajevo ihren Zivildienst abgeleistet, sie waren dann auch in die Planung eines eigenen Gerichtshofs für Kriegsverbrecher in Bosnien und Herzegowina involviert. Dabei haben sie viel über das Trauma der Bosniaken gelernt. "Wir wollten hier keine zusätzliche Emotion erzeugen", erklärt Christoph Hinterreiter beim Betreten der großen Fabrikshalle. Der 34-jährige Oberösterreicher aus Waizenkirchen im Hausruck-Viertel hat mit seinem kleinen Büro, dem auch zwei Bosnier angehören, den Architektur-Wettbewerb der Srebrenica Foundation für sich entschieden. Im Vorjahr wurde das Memorial von 80.000 interessierten Menschen besucht: Überlebende des Massakers, interessierte Einheimische und Fremde, viele Schulklassen, leider noch immer kaum Serben. Der Ort des Grauens soll also für sich sprechen. Zum Beispiel das Schulheft eines Volksschülers aus dem Schuljahr 1995 oder die Taschenuhr eines Nachbarn, auf dessen Ziffernblatt der Einschuss sichtbar ist und noch ein Tropfen Blut klebt. Beides Relikte der letzten Stunde. In schmalen Vitrinen, die in einem nicht aufdringlichen Leseturm am Rande der großen Fabrikshalle aufgebaut wurden. "Mit den Vitrinen wollten wir das Leid der Opfer von Srebrenica individualisieren", erläutert Hinterreiter. Für den jungen Architekten war es eine große Ehre, an diesem Mahnmal für Europa aktiv mitzuarbeiten. Er hat an der Technischen Universität in Graz studiert. Lebt und arbeitet heute in Sarajevo. Dort hat er inzwischen auch die neue Zentrale der Raiffeisen-Bank geplant, die erst kürzlich eröffnet wurde.

Vom Helfen und Fragen

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Mehr als 8000 Namen sind auf dem Friedhof von Srebrenica in den Stein gemeißelt. Feinsäuberlich. Untereinander. Nebeneinander. Die Namen wurden auch mit Geburts- und Sterbejahr versehen. Weil man sie alphabetisch aufgelistet hat, wird klar, dass hier im Juli 1995 ganze Familien ausgelöscht wurden. Gunther Zimmer ist ein Bär von einem Mann. War Major beim österreichischen Bundesheer und Personalchef einer multinationalen Einheit im Kosovo, arbeitet heute als Jurist für die Austrian Development Agency in Bosnien und Herzegowina, einer inzwischen ausgegliederten Sektion des Außenministeriums, koordiniert mit Übersicht verschiedene Programme für den Wiederaufbau des arg verwundeten Landes, im Bereich Bildung, Wirtschaft und auch Verwaltung. Doch hier, am Friedhof von Srebrenica, da kämpft auch er mit seiner Fassung. Gut, dass die internationale Gemeinschaft die Bosniaken nicht vergisst. Doch wo war sie im Juli 1995, als die Menschen hier nach Hilfe gerufen, gefleht haben? Warum wurden die damals wirklich hohen Repräsentanten, die angeblich von allem gewusst haben, nie belangt? Hat man deshalb den serbischen General Mladić noch immer nicht gefasst? Fragen, die auch Gunther Zimmer nicht fremd sind. Auf die er aber keine Antworten weiß. Immerhin kann er auch Positives berichten: Dank Hilfe aus Österreich können künftig Bio-Granatäpfel aus der Herzegowina exportiert werden. Die besonders schmackhaft sind und die den Bauern wieder ein gesichertes Einkommen ermöglichen sollen.

Ein Bomben-Geschäft

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Klingt zynisch, ist dennoch nicht anders: Österreichische Firmen, die Baumaterialien erzeugen, haben seit Ende des Kriegs viel Geld im ehemaligen Jugoslawien verdient. Im Krieg der Nachbarn in Not wurde ihr Land in Schutt und Asche geschossen. Seit dem Friedensvertrag von Dayton im Jahr 1995 ist Wiederaufbau angesagt. Viele neue Häuser wurden mit Krediten der internationalen Gemeinschaft finanziert, viele Dächer wurden dabei auch mit Tondach gedeckt. Dieser Name ist ein Begriff auf dem Balkan. Jasmin Hošo vertritt die Firma aus Gleinstätten in den Nachfolgestaaten Jugoslawiens (mit Ausnahme von Kroatien und Slowenien). Der Geschäftsmann aus Goražde ist Mitte vierzig und gehört der Generation Wiederaufbau an. Einer absolut bewundernswerten Generation, die bisher intensiver gelebt hat als unsereins. Jasmin Hošo zum Beispiel, er hat schon zwei Mal ein neues Leben begonnen: 1992, als der Krieg seine Heimat unbewohnbar machte, flüchtete er mit den paar Wörtern Deutsch, die er in der Schule gelernt hatte, nach Deutschland; 1996, als der Krieg in seiner Heimat zu Ende schien, kam er quasi als Deutscher zurück nach Sarajevo. Mit jedem Neubeginn hat er viel riskiert, viel hinter sich lassen müssen, aber auch einiges gewonnen. Heute sagt er: "Dass ich zurück gekommen bin und mich am Wiederaufbau beteiligt habe, hat sich ausgezahlt. Wir können nicht nur von der Vergangenheit leben." Seit 1996 schon vertritt der Rückkehrer die österreichische Firma Tondach (seit 1. Februar zu 50 Prozent im Besitz des Wienerberger-Konzerns). Selbst im Vorjahr, als die internationale Wirtschaftskrise auch vor den Häusern in BiH nicht Halt machte, wurden hier 6700 Dächer mit Ziegeln aus Gleinstätten gedeckt.

Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.

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