Welt-Reise, Tag 72 - Russland

Welt-Reise, Tag 72 - Russland
Zwei KURIER-Reporter reisen in 80 Arbeitstagen um die Welt. Und berichten von unterwegs über erfolgreiche österreichische Exporteure

Steirisch Kongo

Der eine hat einen Kropf, und der andere ist halt ein Burgenlandler. Humor ist auch ein Ventil, um seine gegenseitige Wertschätzung zum Ausdruck zu bringen. So ist erklärbar, warum der Burgenländer Christian Gabriel seinen netten Kollegen, den Steirer Anton Tischler, mit Hingabe auf die Schaufel nimmt, und warum der Kollege im nächsten Moment die Retourkutsche fährt. Die Beiden haben gut lachen. Ihre Firma, Unger Stahl, ist auch in Russland exzellent unterwegs. Es ist bereits das neunte Autohaus, das der Leibnitzer Tischler hier plant. Es ist das größte in Europa. Der 58-jährige Bauingenieur sagt: "Die Russen bauen sich keine Autohäuser, die Russen bauen sich Paläste, mit denen sie sich gegenseitig übertreffen wollen." Ihm soll es recht sein. Je aufwändiger die Architektur und je komplizierter die Technik - umso mehr ist seine langjährige Erfahrung gefragt: "Was wir hier hier bauen, ist durchaus mit einer Hotelanlage zu vergleichen." Tischler ist ein echter Allroundler. Er hat auch schon für den Sultan von Oman in zweijähriger Kleinarbeit den Bau eines Segelschiffs aus Holz gemanagt. Der Leiter der Unger-Niederlassung in Moskau, Christian Gabriel aus Eisenstadt, darf ebenfalls zufrieden sein. Sein Team verkauft in Russland nicht nur die klassischen Stahlgerüste, sondern übernimmt immer öfter auch die gesamte Bauleitung, inklusive Beratung. Inzwischen arbeiten für Josef Unger, den sie auch den "Stahlkönig von Oberwart" nennen, hundert Menschen alleine in Russland, mehr als die Hälfte sind Monteure. Die Wirtschaftskrise im Land hat man bei Unger so gut wie gar nicht gespürt. Unglaublich, was die Firma hier schon alles gebaut hat: Neben den Autohäusern von Toyota, Lexus, Porsche, Volvo und Jaguar eine Zementfabrik sowie eine Müllverbrennungsanlage für die Stadt Moskau. Zudem eine Art Aufsatz für eine Skipiste, die sich ein Moskauer Milliardär in seinem Garten bauen ließ. Weil er sich einbildet, dass er in seinem Garten Ski fahren muss. Auf seinen Privatberg hinauf zieht ihn angeblich ein Vorarlberger Doppelmayr-Schlepplift. Christian Gabriel hat indes in Eisenstadt die Fachhochschule für internationale Beziehungen besucht - mit einem Schwerpunkt auf Osteuropa. Seit vier Jahren arbeitet er für Unger in Moskau, und ist dort mehr als nur zufrieden: Mit den Erfolgen seiner Firma, seinen Mitarbeitern, seinem Chef, der Stimmung im Team, auch mit dem Bauleiter aus der Steiermark, der eigentlich nur einen Fehler haben soll: "Dass er nicht die gleiche Muttersprache spricht wie ich." Auch diese Ansicht beruht naturgemäß auf Gegenseitigkeit.

Die Poesie des Handtaxis

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Noch eine Moskauer Spezialität, die auf der Tatsache basiert, dass sich nicht jeder in Moskau ein eigenes Auto leisten kann und auch nicht überall ein öffentliches Verkehrsmittel vor der Haustür hat: Das "Handtaxi", das auf der Selbstorganisation der Moskowiter Bürger beruht. Die Geschichte ist nämlich die: Jeder Autofahrer kann sich in Moskau - natürlich nicht legal - etwas Geld dazuverdienen, wenn er en passant wildfremde Menschen aufgabelt und ein Stück seines Weges mitnimmt. Auch aus der Sicht der Mitfahrer ein Gewinn: Man stellt sich an den Rand einer befahrenen Strasse, hebt den Arm, schon hält ein Wagen an. Sofort werden Fahrziel und Fahrpreis verhandelt. Moskau-Kenner empfehlen, nicht in solche Privattaxis einzusteigen, in denen bereits andere Leute sitzen. Außerdem ist ein Mindestmaß an Russisch-, Orts- und Tarifkenntnissen hilfreich.

Rechtsverkehr

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Abfahrt vom Hotel im Zentrum - mehr als viereinhalb Stunden vor Abflug. So rechnet man in Moskau, wenn man auf der sicheren Seite sein möchte. Die täglichen Staus sind längst ein Markenzeichen der russischen Hauptstadt. Jeder Bewohner kann dazu seine eigene Geschichte beisteuern. Mancher österreichischer Exporteur hat hier schon seinen Abflug versäumt. Auch nicht ohne ist die "russische Rechtsverkehrsregelung". Diese bedeutet in der gelebten Praxis: Wer mehr Hubraum hat, wer mehr Geld hat und über die besseren Beziehungen verfügt, hat immer Vorfahrt, bekommt auch immer Recht. Der russische Verkehrspolizist wird im Übrigen als "Feind und Abzocker" betrachtet. Warum wohl?

Und ewig lockt der Export

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Do swidanja, Moskva! Eine ultimative Frage drängt sich über den Wolken der Riesenstadt noch auf: Würde Österreichs Exportwirtschaft in Russland so erfolgreich sein, gäbe es nicht so viele schlanke Russinnen? Eine provokante Frage, gewiss. Faktum ist, dass das weite Land auffallend viele einsame Kämpfer anlockt, die sich über Jahre in ihre Arbeit vertiefen und in ihrer Freizeit wenig Kontakt zu anderen Menschen als den Menschen ihrer Arbeitsstelle finden. Und dann fließt wieder der Wodka. Und dann kommt selbst bei sehr rational denkenden Menschen der Sensor für das Sinnvolle ordentlich durcheinander. Einer erklärt " Viagra Sport" und "Tabletten gegen Leberschmerzen" zu seinem sehr intimen Überlebenskit. Oft könnten die Frauen, die er begehrt und auch bekommt, seine Kinder sein. Doch seine Kinder sind zu Hause, in Österreich. Für wen sind die langen Tage nach den kurzen Nächten weniger befriedigend: Für die Frauen, die sich einem alten fremden Mann hingeben, in der einzigen Hoffnung, dass er sie in den Westen bringt? Oder für die Männer, die sich am Ende des Tages erneut sehr einsam fühlen?

Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.

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