Welt-Reise, Tag 65 - Kanada

Welt-Reise, Tag 65 - Kanada
Zwei KURIER-Reporter reisen in 80 Arbeitstagen um die Welt. Und berichten von unterwegs über erfolgreiche österreichische Exporteure

Auf einen Sprung

Kanada ist ein gutes Sprungbrett für österreichische Unternehmen. Erklärt Robert Luck, seit zweieinhalb Jahren Österreichs Wirtschaftsdelegierter in Toronto. Hier finden sie zunächst einmal ähnliche Geschäftsbedingungen wie in Österreich vor, mit Englisch und Französisch vor allem auch zwei Weltsprachen. Hier können sie aber auch in Ruhe zunächst den übersichtlichen kanadischen Markt beackern, um dann in einem weiteren Schritt aus nächster Nähe den größeren, aber weitaus zerfledderten Markt der einzelnen US-Bundesstaaten ins Visier nehmen. Im Moment sind österreichische Firmen mit hundert Niederlassungen in Toronto vertreten. Ihr Vorteil: Die globale Wirtschaftskrise hat Kanada weniger hart getroffen als die USA. Natürlich gab es auch Einbrüche, weiß der Delegierte aus Wien-Floridsdorf. Doch zuletzt zog das Exportgeschäft wieder deutlich an: Plus 23 Prozent gegenüber dem Krisenjahr 2009. Marktchancen sieht Luck weiterhin für die automotiven Zulieferbetriebe, vor allem für Erzeuger alternativer Antriebssysteme. Auch beim Ausbau bzw. Umbau bestehender Wasserkraftwerke könnte erneut österreichische Technologie zum Zug kommen. Wenig weiter geht beim privaten und kommunalen Hausbau. Kanada und die USA wären ein El Dorado für Anbieter von Niedrigenergie-Konzepten. Doch dazu müssten viele im Land umdenken. Luck unglücklich: "Die Zeit dazu scheint noch nicht reif."

Landleben in London

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London, Ontario. Das hat wenig bis gar nichts mit London an der Themse zu tun. Die 500.000-Einwohnerstadt, zwei Autostunden von Toronto bzw. von Detroit entfernt, erinnert mehr an depressiv machende Cowboyfilme der Neuzeit. Oder an die brutal reale deutsche Auswanderer-Serie, wo unbedarfte Handwerker aus Wanne-Eickel in nur ganz wenigen Wochen vor laufender Kamera realisieren müssen, dass Kanada der bisher größte Fehler ihres Lebens war. Der Bürgermeister von London, Ontario heißt Joe Fontana. Ein Nachfahre der Italiener und ein glühender Fan von Österreich. Gewiss hätte er uns, ganz Politiker, gerne ein Interview gegeben. Doch wir hätten lieber eines mit Mister Rummel von Diamond Aircraft Industries geführt. Doch der gab uns - quasi ausgleichende Gerechtigkeit - in letzter Minute einen Korb. So können wir hier nur ein Bild von einem Leicht-Flugzeug des österreichisch-deutsch-kanadischen Herstellers bringen. Und nachbeten, was man in der Stadt erzählt: Im Diamond-Aircraft-Werk in der Nähe des Airports wird derzeit der weltweit erste Diesel-Jet entwickelt. Wann der D-Jet auf den Markt kommt? Was er kosten wird? Wie weit er fliegen wird? Wie viel Treibstoff er dabei verbrauchen wird? Wie viele Kunden ihn bereits vorbestellt haben? Hätten wir auch gerne gewusst. Doch bei Diamond Aircraft spricht man nicht mit jedem.

Im geklonten Werk

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Fabrik ohne Menschen: Der Silikonverarbeiter starlim//sterner aus Marchtrenk ist davon nicht mehr allzu weit entfernt. Gut, dahin geht heute der Trend in der Industrie. Einzigartig ist jedoch, dass die Oberösterreicher ihr Stammwerk in London, Ontario mehr oder weniger geklont haben: Es ist die selbe auffallende Architektur des Fabriksgebäudes, es sind auch die selben Spritzguss-Maschinen und Roboter (von Engel, einer Firma, die wiederum in Schwertberg ihre Zentrale hat), und es sind auch die selben Produktions- und Hygienevorschriften. Sogar die sanitären Anlagen sind so gut wie ident. Sagt John Timmermann, ein Kanadier mit Faible für österreichische Firmen ("Ich mache die Dinge gerne richtig"). Der Manager führt durch die klinisch reine Fabrikshalle. Die Firma starlim//sterner arbeitet mit Flüssig-Silikon, und produziert daraus Ein- und Mehrkomponenten-Lösungen: Baby-Schnuller, Gummi-Dichtungen fürs Auto, für Mobiltelefone und die Medizintechnik. Die Maschinen arbeiten unentwegt, genau gesteuert von einem Computerprogramm. John Timmermann kann sich daher in Ruhe um den Verkauf in Kanada und in den USA kümmern. Sein Arbeitgeber hat zuletzt viel Geld in die 200 Engel-Maschinen investiert. In Management-Seminaren wird öfters doziert, gerade in schwierigen Zeiten in die Qualität zu investieren. Die Silikonverarbeiter ist nur ein weiterer Beleg für diese These. Der Geschäftsführer bestätigt: "Unsere Geschäfte gehen gut." Aktuell beschäftigt man mehr als 400 Mitarbeiter, davon 35 in Kanada.

Die Luft ist rein!

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Alle guten Dinge sind drei! Der dritte im Bunde der österreichischen Firmen, die es nach London, Ontario verschlagen hat, ist der Industrie-Filter-Hersteller Scheuch. Und der kann ebenso auf weitere Rein-Gewinne hoffen. Gut für den Anbieter: Auch in Kanada und in den USA darf die Industrie nicht mehr alles in die Luft blasen. Zwar sind die Auflagen bei Weitem nicht so streng wie in Europa, langsam setzt aber auch hier ein Umdenken ein. Die Firma aus Aurolzmünster im Innkreis hat bereits mehrere Filteranlagen verkaufen können. Und das Feedback ist durchwegs positiv. Elwin Grassl, Absolvent der HTL für Maschinenbau in Salzburg, hat die letzten sechs Jahre seines Lebens damit verbracht, seine Firma in Nordamerika auf dem Markt zu etablieren. Und schön langsam geht der Plan auf: "Im Vorjahr haben wir zum ersten Mal Gewinne geschrieben." Kanada betrachtet Grassl weiterhin als ein gutes Sprungbrett für österreichische Firmen, die sich auf dem schwierigen US-Markt behaupten wollen. In Kanada denkt man noch mehr europäisch, in Kanada kann man erste wertvolle Erfahrungen sammeln und den Riesen-Markt daneben näher betrachten und studieren. Die Firma Scheuch beschäftigt derzeit acht Mitarbeiter im Londoner Büro. Über Verstärkung wird bereits nachgedacht. Zeit für Elwin Grassl, über seine eigene Zukunft nachzudenken. In London, Ontario alt werden ist für ihn nicht unbedingt eine Option.

Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.

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