Welt-Reise, Tag 43 - Thailand
Der Doyen
Schon wieder ein österreichischer Tunnelbauer. Und schon wieder einer, der zu den internationalen Top-Leuten gezählt werden darf. Harald Wagner ist 70 Jahre jung, und es hat ganz den Anschein, als hätte er schon vor ein paar Jahren das Altern eingestellt. Wagner wurde 1941 im slowenischen Celje geboren, ist im Ennstal aufgewachsen, hat an der Technischen Universität in Graz studiert und unterrichtet, ehe er in die Welt hinaus gegangen ist, um nach seinen Plänen in den Erdmantel Atem beraubende Röhren für Eisenbahnen, U-Bahnen und Autos graben zu lassen. Würde man hier alle Tunnel aufzählen, die er in seinem Leben geplant bzw. deren Bau er beaufsichtigt hat, es würde am Ende des Tages eine lange Wurscht an Wörtern herauskommen. Daher nur so viel: Harald Wagner hat mit seiner in Linz gegründeten Firma D2 Consult auf allen fünf Kontinenten bleibende Spuren und Eindrücke hinterlassen. Die Summe der Tunnel-Kilometer, in die er involviert war, gibt er mit "mehreren hundert" an. Seit dem Jahr 2006 arbeitet der Consulter in Bangkok, wo die U-Bahn derzeit im rasanten Tempo ausgebaut wird. Im Moment beschäftigt ihn noch die Aufsicht eines Bauloses für den "Skytrain". Doch die wahre Herausforderung soll in wenigen Wochen starten.
"Aber man muss großzügig sein"
Die Augen des Planers leuchten. So wie die Augen von einem Buben, der gerade seine erste Modelleisenbahn geschenkt bekommen hat: "5,2 Kilometer Tunnel, zwei Röhren und vier Stationen, unterhalb von Chinatown, vier Jahre Bauzeit." Keines der Häuser, die meist auf Holzstelzen gebaut wurden, darf dabei beschädigt werden. Dazu kommt: Der patzweiche Untergrund ist auch alles andere als stabil - das Grundwasser reicht bis einen Meter an die Erdoberfläche heran. Wenige trauen sich so ein Projekt zu. Harald Wagner sagt nur: "Technisch ist das überhaupt kein Problem." Er kam zum Zug, weil man zuvor mit einem deutschem Planer nicht so sehr zufrieden war. Was die Frage aufwirft, warum österreichische Tunnelbauer international so gefragt sind. Der Insider antwortet vorsichtig: "Gut, unsere Kompetenz im Tunnelbau ist unzweifelhaft. Aber man muss großzügig sein. Auch Andere haben tüchtige Ingenieure." Auf der Baustelle unter Chinatown wird er mit zwei großen thailändischen Baufirmen kooperieren. Was er bis zu einem gewissen Grad auch schade findet: "Es hätte hier durchaus gute Chancen für die österreichische Bauwirtschaft gegeben. Und ich hätte mich da auch gerne als Schuhlöffel angeboten." Doch die bisherige Antwort der Eingeladenen war immer: "Ist uns zu weit." Waun de kan Oimdudla hobn ... Der Senior in der Branche erlaubt sich einen Ratschlag: "Unsere Firmen wären gut beraten, mehr ins Ausland zu gehen." Also bitte, wenn wer Interesse hat, der sechs verschieden Sprachen sprechende Diplomingenieur hilft gerne.
"Müssen unterirdisch gehen"
Entgegen der Logik des Laien kostet ein Kilometer Straßen- oder U-Bahn-Tunnel nicht mehr als ein Kilometer auf hässlichen Stelzen. Deutlich billiger wird das Bauwerk im Untergrund, wenn man die Umwegrentabilität dazurechnet. Ist der Verkehr unter der Erde, wird darüber neuer Lebensraum geschaffen. Den wird die Menschheit dringend benötigen. Schon im Jahr 2050 sollen sechs Milliarden Menschen, zwei Drittel der Weltbevölkerung, in Städten leben. Jahr für Jahr kommen derzeit 80 Millionen neue Erdenbürger hinzu - und 60 Millionen Autos. In der US-Stadt Boston hat man die Autos unter die Erde verbannt. Das ist eine Möglichkeit. In Kopenhagen steigt derzeit eine ganze Stadt aufs Fahrrad um. Das ist eine andere, sogar die billigere. Auch wenn das jetzt nicht ganz den Tunnelbauern hilft ...
Die Technologiebrücke
In Thailand ortet Tunnelbauer Harald Wagner ein Vakuum. Die State Railway of Thailand sei bereits 120 Jahre alt. Doch gemeinsam mit ihr sind auch ihre Ingenieure und ihr Schienennetz völlig überaltert. Das Land braucht dringend schnellere Zugverbindungen. Die Chinesen stehen mit ihren Hochgeschwindigkeitszügen quasi schon vor der Tür. Auch andere in der südostasiatischen Union verlangen den Eisenbahnausbau. Doch es fehlt das Know-how. Deshalb bereiten findige österreichische Universitätsprofessoren gemeinsam mit ihrem Schuhlöffelmann in Bangkok im Moment einen Technologietransfer vor. Sie nennen es eine Technologiebrücke zwischen Österreich und Thailand. Bisher involviert in diese Initiative sind die Technischen Universitäten in Wien, Graz und Innsbruck sowie der Softwarepark im oberösterreichischen Hagenberg. Denn neben erfahrenen Eisenbahnern braucht es auch noch gut ausgebildete IT-Leute.
"Mai Pen Rai"
Diese Floskel hat Gustav Gressel schon zu Beginn seiner Mission in Bangkok gelernt. "Mai Pen Rai" heißt so viel wie "Ist schon in Ordnung" oder "Da kann man halt nix machen." Aber auch "Eh Wurscht" bzw. "Powidl". Und es vergeht kein Tag, an dem der Wirtschaftsdelegierte nicht mindestens ein "Mai Pen Rai" anbringen kann. Thailand und seine Nachbarländer Laos, Kambodscha, Vietnam und Myanmar (früher Burma), für die er auch zuständig ist, sind gewiss interessante, teils aufstrebende Märkte. Doch es sind mit Sicherheit keine einfachen Märkte. Auch hier kann sich auf Dauer nur durchsetzen, wer einen verlässlichen lokalen Partner hat. Und so einen gelte es, mit viel Sorgfalt und ausreichend Zeit zu finden. "Die Summe der wirtschaftstreibenden Österreicher in Thailand hat sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren halbiert", weiß Gressel, der ebenso lange in Bangkok stationiert ist. Dies bedeutet keinesfalls einen Exodus der Firmen. Im Gegenteil: Die Anzahl der österreichischen Firmen, die nach Thailand exportieren, steigt schon seit Jahren stark an. Doch einige können und wollen sich auf die Dienste eines thailändischen Repräsentanten verlassen. Weil er die landesüblichen Gegebenheiten besser kennt. Weil er der Firma auch weit weniger kostet als ein Mitarbeiter aus Österreich. Chancen für österreichische Firmen sieht der Wirtschaftsdelegierte vor allem im Eisenbahn-Sektor. Ermutigen will er auch jene, die von einem Technologie-Transfer profitieren möchten. Und nicht zuletzt die Unternehmen, die im Medizinbereich tätig sind. Ein spannendes Thema neben dem Medizin-Tourismus (vor allem aus Arabien) ist die Altenbetreuung in Thailand. Auch ein österreichischer Investor ist in den Bau eines modernen Nursing Homes involviert. Konkret wird in Hua Hin direkt am Meer so ein Altenheim errichtet, das neben den klimatischen Vorzügen vor allem betreuungstechnisch und medizinisch alle Stückerln spielt und für die Bewohner deutlich weniger kostet als vergleichbare Einrichtungen in Europa. Weitere Chance für Österreich? Thailand lebt vom Export. Meist ausgeführte Güter sind Autos, Computer, Haushaltsgeräte, Reis und Schrimps. "Die Zukunft gehört der Landwirtschaft", zitiert Gustav Gressel ein Ziel, das vom König und auch von der Regierung vorgegeben wurde.
One night in Bangkok
Happy hour? Wird man an jeder Straßenecke drei Mal gefragt. Auch der Taxifahrer fragt: Lady? Hat man auch diese Frage verneint, fragt er nach einiger Zeit: Boy? Allein reisende europäische Männer erzeugen in Bangkok eine klare Erwartung. Und die scheint historisch gewachsen zu sein: Das sind die, die besondere Unterhaltung wünschen und mit ihrer Lustbefriedigung gut und gerne ganze thailändische Familien ernähren können. Wenigstens im Wirtschaftsleben gilt diese Formel nicht. So wurden zumindest dem Rudl, Maskottchen der Exporteure, keine zweideutigen Angebote gemacht. Auch nicht in der Soi Cowboy, in der US-Soldaten nach dem Vietnam-Krieg Aufmunterung suchten. Oft werden bereits sehr junge Mädchen und Buben vom Land in die große Stadt geschickt, um ihre Familie am Leben zu erhalten. Die Vorstellung, dass sich die weit gereisten Herren aus dem Westen nach der Erniedrigung eines Thais auch noch als Gut-Menschen fühlen wollen, ist widerlich. Morgen Jakarta!
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.
Kommentare