Welt-Reise, Tag 31 - Südkorea
"Bis ich umfalle"
Reinhard Krippner hat etwas geschafft, was nur ganz wenige in seinem Metier schaffen: Seit mehr als dreißig Jahren ist der Linzer Maschinenschlosser auf Montage - und noch immer verheiratet. Dazu braucht es: Zunächst einmal eine verständnisvolle sowie patente Partnerin, in seinem Fall eine Amerikanerin, eine Lehrerin, die die meiste Zeit des Jahres in Leonding bei Linz das gemeinsame Haus bewohnt und auch in Schuss hält. Sowie: Die unbedingte Liebe zum eigenen Beruf. Herr Krippner ist unbestätigten Annahmen zufolge gar der einzige 51-jährige Österreicher, der froh ist, dass er graue Haare hat: "Das trägt mir auf der Baustelle mehr Respekt ein." Dazu passt auch sein klares Lebensziel: "Ich werde solange auf einer Baustelle arbeiten, bis ich umfalle." Nicht des Geldes wegen: "Das schon lange nicht mehr." Willkommen in Südkorea, in Shiwa, auf einem künstlich angelegten Damm vor der Hauptstadt Seoul. Hier wird das derzeit größte Gezeitenkraftwerk der Welt errichtet. Krippners Arbeitgeber, die weltweit aktive österreichische VA Andritz Hydro, hat dafür alle Turbinen geliefert. Jonglieren wir hier nicht lange mit Megawatt und anderen Megazahlen herum, dieses Genre beherrscht der Andritz-Mann weitaus besser, viel leichter vorstellbar ist: Mit dieser Anlage könnte man ganz Klagenfurt mit Strom versorgen. Die zehn Kaplan-Turbinen bestehen aus einem hochlegierten Stahl. Nur so werden sie dem aggressiven Meerwasser auf Dauer standhalten. Noch kann man sie im frisch betonierten Wehr ausmachen. Doch im Sommer schon will der koreanische Präsident der Flutung beiwohnen. Der Baustellenleiter verzieht eine Miene: "Gut, wir sind mit unserer Arbeit fertig. Wir warten eigentlich nur mehr aufs Wasser." Das Problem sind viel mehr, und die Koreaner werden das jetzt nicht sehr gerne hören, die Koreaner: Nicht alle arbeiten hier in Seoul so verlässlich wie die Andritzer. Von einer Baustelle zur nächsten - so weit die Welt von Andritz reicht: Reinhard Krippner war zuvor in China - und wird nach der Flutung nach Chile weiterziehen. Urlaub hat er alle sechs Monate. Zwei Wochen. Der Wasser-Spezialist sagt trocken: "Wenn man mit so einem Auftrag mitwächst, hat man kein großes Interesse an Urlaub."
Präsidentin Franziska
Sie ist eine vornehme Frau, eine Dame aus gutem Haus. Hae-Ja Cho Rhee hat zum Essen geladen - und gemeinsam mit ihrer Küchenhilfe selbst gekocht. "Cosmopolitan Chicken", wie sie es nennt. Man würde bei uns in der Vorstadt vielleicht "Hendlhaxen in Sauce" sagen. Die Sauce aus koreanischem Reiswein, Zucker, Chillipulver und Butter. Und der Hinweis auf die Vorstadt ist jetzt nicht ganz willkürlich. Hae-Ja Cho Rhee ist die Schwiegertochter des ersten Präsidenten der Republik Korea, Rhee Syng-man. Der hat das Land in bitteren Zeiten der Armut und des Krieges (1948 - 1960) regiert. Der Bezug zur Vorstadt? Der Staatsgründer war mit einer Österreicherin, einer Wienerin, einer Inzersdorferin verheiratet. "Andere Länder, andere Sitten, aber Himmel ist überall blau", zitiert Frau Hae-Ja Cho Rhee ihre geliebte "Frandschäska". Und chicken bleibt chicken. Gemeinsam haben die beiden Frauen viel gebetet, und auch gekocht. Franziska Donner, die erste First Lady Koreas, genießt aufgrund ihrer starken Identifikation mit dem Land und seiner Kultur bis heute hohes Ansehen. "Sie war eine sparsame Frau", erinnert sich die Schwiegertochter, die heute noch auf dem Areal der Präsidentenvilla wohnt. "Und sie hat mit ihrer positiven Einstellung zum Leben vielen Koreanern Hoffnung gegeben." Kennen gelernt haben sich Syng-man und Donner im Jahr 1933, in Genf, in einem überfüllten Restaurant, am Rande einer Tagung des Völkerbundes. Die Wienerin urlaubte damals mit ihrer Mutter am Genfer See. Am einzigen noch freien Tisch im Lokal lernte man sich kennen. Donner folgte ihrem Mann dann 1960 ins Exil und kehrte nach dessen Tod nach Korea zurück, wo sie im Jahr 1992 verstorben ist. Lady Cho Rhee ist stolz darauf: "Ich habe sie bis zur letzten Minute begleitet."
Koreanerin im Dirndel
Ebenfalls zu Gast in der alten Präsidentenvilla ist eine Koreanerin im Dirndl: Frau Soon-ae Lee Fink, die über Franziska Donner eine Biographie geschrieben hat (deutsche Übersetzung liegt vor, Verleger bitte melden). Geschichten, die man in dieser Form nicht erfinden kann: Die Biografin ist wiederum mit einem Österreicher verheiratet, dem Dornbirner Rechtsanwalt Herbert Fink, den sie bei einem Sprachkurs in Spanien kennen gelernt hat. Im Jahr 1988 hat sie ihn geheiratet. Danach ist sie mit ihrem Mann nach Innsbruck übersiedelt. Seither engagiert sich die ausgebildete Sportwissenschafterin beruflich für die Vermarktung des Tourismus in Tirol. Vor allem in ihrer ersten Heimat, in Südkorea. "In Innsbruck war alles so klein", erinnert sich Frau Fink. "Mir war langweilig, da habe ich einen Wifi-Fremdenführer-Kurs belegt." Seit dem Jahr 1990 arbeitet sie für die Tourismus-Werbung. Die Tiroler schicken sie regelmäßig nach Korea, um bei Veranstaltungen für Österreichs Alpen zu werben. Was wichtig sei, wie sie betont. Denn mit Alpen verbinden die Koreaner, die bis zum Jahr 1988 keine Reisefreiheit genossen, bis heute nur die Schweiz. Ihr Vorschlag: "Innsbruck als das Herz der Alpen zu vermarkten." Vielleicht liest das ja drüben im Inntal irgendein Herz-As.
Keine Desperados
Viele Österreicher gibt es in Korea nicht. Die Wenigen, die permanent in Seoul zu tun haben, treffen sich beim Meili. Meili ist die Abkürzung für Christian Meilinger. Ein Lungauer Koch, Fleischer und Wirt, der österreichische Spezialitäten importiert und damit in der Nische "Tröster aller westlichen Mägen" feine Geschäfte macht. Über den Wirt gibt es heute nicht mehr zu sagen, weil der ist dieser Tage auf Heimaturlaub. Daher schau ma' gleich einmal zum Stammtisch! Dort sitzen nebeneinander: Ein Arzt, der fließend Koreanisch spricht und nur heute Abend nicht Koreanisch isst. Ein Siemens-Manager, der in seiner hemdsärmeligen Art nicht erahnen ließe, dass er in Seoul für 2000 Mitarbeiter verantwortlich ist, und ein ebenso gemütlicher österreichischer Ingenieur, der in der koreanischen High-Tech-Industrie höchstes Ansehen genießt. Desperados so wie in den Emiraten findet man hier nicht. Oder nie lange, wie einer am Stammtisch anmerkt. Korea zu verstehen, bestätigen auch die Anderen am Tisch, dazu reicht nicht nur das Zücken der Kreditkarte. Dazu müsse man sich schon auf das Land und seine Leute einlassen. Es sind ausgesprochen nette Leute, die Österreicher in Südkorea. Und sie machen es einem am Ende schwer, sich zu verabschieden. Wer weiß, ob man sich je wieder sieht ...
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