Welt-Reise, Tag 27 - Kasachstan
Über den Gartenzaun
Andreas Baumann fährt auch heute mit der neuen Seilbahn zu seinem aktuellen Arbeitsplatz: Das Skigebiet Shymbulak. Hinter seinem Rücken lässt er Almaty, vor sich hat er die Gletscher einer kasachischen Viertausenderkette. Seit sechs Jahren schon gondelt der Tiroler in der Weltgeschichte herum. Die Sache ist nämlich die: Wo und wann immer der Vorarlberger Paradebetrieb Doppelmayr einen neuen Skilift oder eine neue Stadtbahn eröffnet, brauchen die Vorarlberger jemanden, der die lokalen Betreiber mit der neuen Technologie vertraut macht. Und das ist der Baumann. Der Baumann-Andy aus Tirol, aus Schönberg im Stubaital. Sein Handwerk hat er bei der Stubaier Gletscherbahn und in der Doppelmayr-Zentrale in Wolfurt bei Bregenz gelernt. Ehe er sich mit einem technischen Büro selbstständig machen konnte. Im Normalfall bleibt er drei Monate bei einer neuen Anlage. Läuft alles wie es laufen sollte, zieht er weiter, zum nächsten Auftrag. Bisher hat er die Betreiber von Skiliften aus dem Hause Doppelmayr im polnischen Riesengebirge, in der Ukraine, in Georgien und in Südkorea betreut. Außerdem kam er bei Stadtbahnen in Athen und in Caracas sowie in Ägypten zum Einsatz. Seinen Job hier in Almaty beschreibt er als schwierig: "Mit den Russen habe ich keine Probleme, schwierig ist es eher mit den Kasachen." Die wurden im realen Sozialismus nicht unbedingt auf das Tempo der Konsumgesellschaft vorbereitet. Sinnbildlich: "Für einige war die Umstellung auf den neuen Lift extrem hart." Der fordert ihnen deutlich mehr Tempo ab. Doch der 41-jährige Stubaitaler hat die Gabe, auf Menschen zuzugehen, sie auch zu motivieren. Nach ein paar harten Wochen für die Mitarbeiter und ein paar weniger freundlichen Worten scheint erstmals die Sonne über Shymbulak. Als der Berater oben aus der Gondel steigt, wird er von den Mitarbeitern herzlich begrüßt. Das Interessante an seiner Arbeit: Er spricht nicht nur mit Managern, sondern mit allen Angestellten. Erfährt dadurch manches mehr über Land und Leute als Andere. Im Stubaital ist der Weltreisende heute nicht mehr allzu oft. Das "Firlefanz"-Problem für jeden Tiroler, der längere Zeit im Ausland weilt, beschreibt er so: "Am Stammtisch ärgert sich einer über den schiefen Zaun vom Nachbarn. Und wenn du nach einem Jahr wieder nach Hause kommst, ärgert der sich noch immer über den Zaun."
Sparkassa Kasachstan
Der Zeitpunkt war gewiss nicht glücklich: Wenn eine große Bank eine kleine Bank kauft, und im nächsten Jahr der gesamte Bankensektor im Land der kleinen Bank in die Krise marschiert, dann gibt es gewiss Lustigeres zu erzählen. Willkommen in einer Sparkassa namens Kasachstan! Hans Holzhacker und Stefan Selden, beide im Herbst 2008 von der Bank Austria nach Almaty entsandt, haben sich dennoch nicht von ihrem schwierigen Job die Schneid' abkaufen lassen. Sie versuchen, das Beste aus der ATF-Bank zu machen. Und das war bisher gewiss nicht das Schlechteste. Das Kreditinstitut hat als eines von wenigen Bankunternehmen keine Hilfe vom Staat angenommen. Was der Mutter natürlich Substanz kostet. Chef-Ökonom Holzhacker hofft darauf, dass sich die kasachische Wirtschaft nicht nur auf die enormen Vorkommen an Rohstoffen verlässt. Würde das Land mehr in deren Veredelung investieren, wäre dies nicht nur für dessen Wirtschaft nachhaltig gut, nebenbei würde davon auch der Bankensektor profitieren. Keinen leichten Job hatte auch Stefan Selden in Almaty zu erledigen. Seine Aufgabe war es, mit den Großkunden über Rückzahlungen fälliger Kredite zu verhandeln. Sein Mandat endet in dieser Woche. Viel darf er offiziell nicht sagen. Manchmal ist aber auch wenig viel: "Ich glaube, ich konnte zu einem Umdenken der Firmen beitragen. Bisher war es hier ja so, dass, wenn einer nicht zahlen konnte, er von der Bank einfach einen neuen Kredit erhalten hat."
"Mag die Menschen"
Und gleich noch ein Banker. Robert Herzog kam bereits im August 2008 mit der Raiffeisen International nach Kasachstan. Damals als Projektmanager, mit dem Auftrag, heraus zu finden, ob das Land noch eine neue Universalbank verträgt. Nur wenig später war - wie oben erwähnt - Bankenkrise. Sein Arbeitgeber hatte darüber hinaus auch noch ganz andere Sorgen, in der Ukraine. Daher wurde das Projekt bis auf Weiteres ad acta gelegt. Der Ökonom wollte jedoch nicht nach Hause zurück. Und wurde daher Direktor einer Raiffeisen-Tochter, die kasachische Unternehmen bei der IT-Ausstattung berät. Auch kein Kinderspiel: "Den meisten Firmen fehlt leider das Problembewusstsein." Doch das Land entschädigt ihn für manches berufliche Problem: "Kasachstan ist natürlich viel Steppe, aber nicht ausschließlich. Ich mag die Menschen. Ich fühle mich hier sehr wohl."
Wie im Flug
Die Maschine der Air Astana von Almaty nach Peking fliegt am Nachmittag. Zeit, um noch einen Sprung in der Zentrale der nationalen Fluglinie vorbeizuschauen. Die hat erst am 18. Mai 2002 ihren Jungfernflug veranstaltet. Von Almaty in die Hauptstadt Astana. Seither hat sich das junge Unternehmen - trotz Strukturkrise in der Luftfahrt - schnell entwickelt. Heute verfügt man über 22 relativ moderne Flugzeuge, mehr als 3000 Angestellte und vor allem über den Ruf als Local Hero in der zentralasiatischen Region. Man bittet uns in den Keller. Österreicher in den Keller ... Auch in Kasachstan kennt man den Familiennamen Fritzl. Doch keine Angst, dieser Keller hat mit einer anderen Österreicherin zu tun: Brigitte Bernroider aus Braunau am Inn. Eine ehemalige Flugbegleiterin bei Tyrolean und bei der Lufthansa. Seit mehr als drei Jahren schult sie hier die jungen kasachischen Kollegen ein, vor allem in Richtung souveränes, freundliches Auftreten gegenüber den Kunden. Bernroider hat neben dem Flughafen von Almaty im Jahr 2007 die Flugbegleiter-Schule eingerichtet. Am Anfang die Trainer trainiert, inzwischen geben die ihr Wissen an andere Trainer weiter. Der Start war nicht ohne Turbulenzen: "Ich musste mir das Vertrauen der Kasachen hart erarbeiten." Doch der Start sei geglückt. "Jetzt gilt es, eine stabile Flughöhe zu erreichen", bleibt die aus dem Ausland eingekaufte Managerin im Bild der Fliegerei. "Die jungen Leute sind sehr motiviert." Für die meisten ist die Arbeit in der Luft die einzige Möglichkeit, außer Landes zu kommen. In vielen Ländern benötigen sie ein Visum. Und Visa kosten viel Geld und Zeit. Auf der anderen Seite hat auch sie gelernt: "Meine Perspektive hat sich ein bisserl verschoben. Ich sehe heute, dass sich die Welt nicht nur um Europa und die USA dreht." Das Einzige, was ihr in Kasachstan abgeht: "Die gute österreichische Küche, aber die hat mir auch schon in Frankfurt gefehlt." Ihre Zeit in Almaty sei bisher wie im Flug vergangen. "Kasachstan ist ein bisschen Abenteuer." Durchaus möglich, dass die Oberösterreicherin auch noch von ganz anderen Fluglinien engagiert wird.
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.
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