Welt-Reise, Tag 23 - Indien
Wo Exporteure Bollywood haben
Christina Bauer-Zaidi ist eine Vertraute der österreichischen Exporteure. Egal ob ganz große Anlagen, sensible Maschinen oder Ersatzteile. Anruf genügt, und sie organisiert die Fracht von Haus zu Haus. Von der Fabrik in Österreich bis in das hinterste Dorf in Südindien. Wer jemals auf indischen Überland-Straßen unterwegs war, weiß, welche unsagbaren Mühen und Ängste sie den Kunden damit erspart. Und auf sich nimmt. Die Tochter von Weinbauern aus dem burgenländischen Horitschon arbeitet seit zweieinhalb Jahren für die Tochtergesellschaft der Cargo Partner Logistics. Die hat ihren Hauptsitz in Fischamend, und ist in Indien inzwischen megaerfolgreich. Seit dem Markteintritt vor vier Jahren haben die Niederösterreicher zwanzig Vertretungen im ganzen Land eröffnet. Bauer-Zaidi ist mit einem Bollywood-Schauspieler verheiratet. Sie ist daher bestens mit den indischen Gepflogenheiten vertraut. Auch mit den Schwierigkeiten in einem noch immer wenig entwickelten Land. Die Dauer einer Lkw-Fahrt vom Hafen in Mumbai nach New Delhi gibt sie mit mehr als zehn Tage an. "Wenn alles gut geht, ich zittere jedes Mal aufs Neue." Ihre Firma muss auf der Straße übrigens auf die Dienste lokaler Partner vertrauen. Sie selbst erklärt das so: "Eine eigene Lkw-Flotte wäre in Indien viel zu riskant."
Von 0 auf 156 km
Alle Jahre wieder, kurz vor einer anstehenden Gemeinderatswahl, darf der Wiener Bürgermeister ein paar zerquetschte Kilometer neue U-Bahn eröffnen. Leid könnte er einem tun, der Häupl-Michl. Vor allem, wenn man seine Wienerstadt mit New Delhi vergleicht. Die Amtskollegen in der indischen Hauptstadt konnten es sich erlauben, in den vergangenen acht Jahren exakt 156 km neue Metro zu eröffnen. Am Samstag kommen 23 weitere hinzu - die Highspeed-Linie vom Bahnhof zum internationalen Flughafen hinaus. Dabei stehen im Moment nicht einmal Wahlen ins Haus. Die Metro in New Delhi ist eine Erfolgsstory, ohne Aussicht auf Ende. Erklärt Anuj Dayal, der Sprecher der Delhi Metro Rail Corporation. Vor allem auch deshalb, weil viele andere Bauprojekte in Indien nur jämmerlich langsam vorangetrieben werden können. Bis zum Jahr 1998 hatte man keinen einzigen Kilometer U-Bahn im Land. Doch dann ist das städtische Unternehmen mit seiner charismatischen Führung vorgeprescht. Die vifsten Ingenieure wurden in die Welt hinausgeschickt. Mit dem Auftrag, die international besten Verkehrssysteme nicht nur zu studieren, sondern daraus noch bessere Lösungen abzuleiten. Die indischen Techniker haben gute Arbeit geleistet. Die Metro in New Delhi (mit derzeit 129 Stationen) wurde vom ersten Tag an gut angenommen. Sie gilt als sehr verlässlich und schneller als das Auto, verkehrt in Zwei-Minuten-Intervallen und kostet verhältnismäßig wenig (eine Fahrt umgerechnet zehn Cent). Die Betreiber können auf Image-Kampagnen weitgehend verzichten. Sie haben eher das Problem, dass zu viele Menschen U-Bahn fahren wollen. Die Verkehrsstatistik weist dazu aus: Bald zwei Millionen Fahrgäste täglich. Alleine in der Station Rajiw Chokw im Stadtzentrum steigen jeden Tag 500.000 Fahrgäste ein, aus oder um. Polizisten überwachen alle Eingänge. Mit Scannern und Sprengstoff-Suchhunden. Auffallend: Wie rasch und diszipliniert die Menschen-Schlangen die Züge verlassen bzw. betreten.
Mister Tunnel
Die neue österreichische Tunnelbauweise - ein weiterer Exporthit aus Österreich. Auch in New Delhi sind die Bauherren begeistert. Die Grünen in der Stadt hatten verlangt, dass die neue Airport-Metro im Stadtzentrum unter der Erde geführt wird. Und die Österreicher haben es für sie gerichtet. Erich Golger steht in einem brandneuen Zug, der am Samstag erstmals zum Flughafen in nur 19 Minuten sprinten soll. Der erfahrene Baumanager der Alpine Bau klärt seinen indischen Kollegen Satish Lal Suneja über kleine interkulturelle Unterschiede auf: "Unsere deutschen Kollegen glauben noch immer, dass sie den Berg vermessen und damit verstehen können. Während sie quasi den Berg belehren wollen, wollen wir vom Berg lernen." Golger und Suneja schließen gerade ein Riesen-Projekt ab. Die neue Express Line soll den zentralen Bahnhof mit dem 23 km entfernten internationalen Airport verbinden. Rund ein Viertel der Strecke, jene im Untergrund und die zwei wichtigsten Stationen, hat die Alpine in einem Konsortium mit einem koreanischen und einem indischen Partner gebaut. "Zu Spitzenzeiten waren 5000 Mann auf unseren beiden Baulosen im Einsatz", erzählt der Kärntner Bauprofi, der in Spital an der Drau zu Hause ist. Seine Firmenkollegen nennen ihn längst Mister Tunnel. Egal ob in Deutschland, Italien, der Türkei, im Iran oder in Libyen, in Hongkong oder Singapur, überall war sein Organisationstalent bisher gefragt. Ab und zu berichtet er auch seinen Kollegen in Wals bei Salzburg. Zum Beispiel jenes: "Bis zum Jahr 2020 stehen in Indien nur für den innerstädtischen Schienenausbau rund 18 Milliarden Euro zur Verfügung." Schon in wenigen Wochen startet die nächste Ausschreibung. Und die Alpine wird - genauso wie die Strabag - erneut bieten.
Sie nannten ihn Lucky
Lucky verrät uns sein Geheimnis: "Du darfst nicht bremsen, du musst fahren, immer nur fahren." Das sei die einzige Chance, um auf den Straßen von New Delhi nicht unter die Räder zu kommen. "Du darfst auch nicht stur auf deiner Spur bleiben. Weil wenn du auf deiner Spur bleibst, dann fährt dir ganz sicher jemand rein." Lucky sagt das ganz ruhig, während er den kleinen weißen Tata-Wagen seines Chefs mit viel Geschick und Übersicht durch die nicht enden wollende Verkehrshölle lenkt. Lucky ist einer von zigtausenden Fahrern in New Delhi, einer von sechzig in seiner Firma. Der junge Mann erzählt, dass ihn seine Eltern schon als Kind Lucky genannt haben. Und dass dieser Kosename auch noch heute zu ihm passt: "Ich bin wirklich glücklich, dass ich gemeinsam mit meinen Eltern und Großeltern, mit meiner Frau und meinen beiden Töchtern, und auch mit meinen beiden Geschwistern unter einem Dach leben kann. Und ich bin dankbar, dass ich diesen schönen Beruf habe." Lucky ist Sikhs. Gläubiger Sikhs. Seine Religion verbietet es ihm, sich die Haare zu schneiden. "Ein Geschenk Gottes", deutet er auf seinen Bart. Er hat ihn unter dem Kinn mit einem Bindfaden zusammengebunden. Sonst würde ihn das Barthaar beim Fahren und wohl auch beim Leben behindern. Auch die Fahrgäste haben großes Glück mit Lucky. Denn der fährt nicht nur sehr sicher Auto, der kennt sich in seiner Heimatstadt wirklich gut aus. Auch noch dort, wo Menschen, die seit mehreren Jahren in New Delhi leben, längst die Übersicht und wohl auch ihre Nerven verloren haben. Viele Adressen gibt es nur auf dem Papier, auf der Straße kann man sie nicht ausmachen. Und wenn Lucky zehn Mal fragen muss und sich zehn Mal im Kreis schicken lässt: Er findet überall hin.
KTM auf der Überholspur
In Indien werden pro Jahr acht Millionen Motorräder gebaut, jedes zweite von Hero Honda, einem Konsortium, das dieser Tage bekannt gab, dass es in Zukunft wieder getrennte Wege fahren wird. Ein Blick auf die Straßen zeigt, wer die neuen Modelle kaufen wird. An jeder Kreuzung knattert, rattert und hupt es. Noch immer sind die Zweirad-Fahrer auf der Überholspur. Den Allermeisten geht auch der neue indische 2000-€-Wagen ("Nano") irgendwie am Hintern vorbei. Was die Anbieter übersehen haben: Die allermeisten Inder können sich den Billig-Bomber nicht leisten. Indien bleibt weiterhin ein großer Zweirad-Markt. Auch das Management von KTM versucht sich, hier in eine Pole-Position zu bringen. Man ist mit dem zweitgrößten Zweiradhersteller Bajaj eine strategische Partnerschaft eingegangen. Die Inder haben sich in Mattighofen eingekauft, und sollen in Zukunft auch Komponenten zuliefern. Die Österreicher schielen indes erwartungsvoll auf das Getöse auf Indiens Straßen.
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.
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