Welt-Reise, Tag 14 - Türkei
"Wir glauben an Nabucco"
Stellen Sie sich vor, Sie sind eher kein großer Fisch und haben dennoch einen Termin beim stellvertretenden Boss des nationalen Erdölkonzerns bekommen. Und dann eröffnet der nach einer Viertelstunde: "Wenn Sie möchten, können Sie gerne auch mit unserem Vorstandsdirektor sprechen." In der Türkei ist das möglich, in der Türkei stehen die Türen für die Österreicher noch immer weit offen. Faruk Bostanci, Stellvertreter beim staatlichen Botas-Trust, greift spontan zum Hörer. Einfach so. Weil er nicht alle Details über die Finanzierung der Gas-Pipeline aus dem Stegreif beantworten kann, ruft er seinen Chef an. Den Chairman of the Board of Directors. Und in der nächsten Minute winkt Fazıl Senel die Gäste freundlich an seinen Vorzimmerdamen vorbei. "Wir glauben an Nabucco", erklärt Senel ohne Wenn und Aber. Die neue Leitung, welche die Türkei und Europa vom russischen Gas unabhängiger machen soll, was der Direktor so natürlich nie gesagt hat, er spricht lieber von einem Friedensprojekt, ist tatsächlich im Werden. In der Pipeline, wie man im Managersprech erklärt. Die Gasleitung soll laut Auskunft von Senel und der Nabucco Gas Pipeline International GmbH (mit Sitz im Wiener Florido-Tower in der Floridsdorfer Hauptstraße Nr. 1) insgesamt 4000 km lang sein und Europa mit jenen Regionen verbinden, die weltweit über die reichsten Gasvorkommen verfügen. Dazu werden die Länder am Kaspischen Meer, der Mittlere Osten und Ägypten gezählt.
Gastarbeiter in der Türkei
Frank Jordan will eine gewisse Ähnlichkeit mit dem türkischen Staatsgründer Kemal Atatürk an sich nicht erkennen. Will aber diesen Vergleich seinen österreichischen Kollegen nicht ausreden. Ja, wenn s' halt meinen. Jordan ist der Managing Director der ILF Ankara, quasi ein Gastarbeiter in der Türkei. Die ILF wiederum ist ein international tätiges Ingenieurbüro mit 1700 Mitarbeitern in dreißig verschiedenen Ländern. Mit Hauptsitzen in Innsbruck und München. Derzeit ist Jordans 40-köpfiges Team vor allem mit dem Mega-Projekt Nabucco beschäftigt. Und es scheint auch hier so, als würde die Gas-Pipeline langsam in die Phase der Realisierung gelangen. Schon wird detailliert an der Planung der Route, der Kompressor-Stationen und der Camps für die Arbeiter gearbeitet. Zudem ist die ILF in Studien für eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach türkischem Recht und eine weitere nach internationalem Standard eingebunden. Ebenfalls schon im Laufen: Verhandlungen, in denen es um die Ablöse der Grundstücke geht bzw. um Lieferverträge für das Gas. Jordan macht deutlich: "Das ist von unserer Seite längst keine Beratung mehr, das ist bereits richtiges Engineering."
Oder die Chinesen
Der Rektor der privaten Cankaya Universität in Ankara spricht ruhig. Dabei ist das, was der ausgebildete Physiker und Nanotechnologe Ziya Güvenc seit vier Jahren sagt, dramatisch: "Wenn wir nicht enger zusammen arbeiten, wenn wir unsere Kräfte nicht in Industrieclustern bündeln, dann werden unsere Arbeit in fünf bis zehn Jahren die Chinesen machen." Immerhin ist Güvenc kein einsamer Rufer in seinem Land. Die Türkei zählt längst zu den Top-Nationen im Industriebereich. Ein aufgehender Stern, wie auch gesagt wird. Inzwischen gibt es die von ihm dringend eingeforderten Cluster in Ankara, Denizli, Konya und Izmir. 13 Konzentrationen einzelner Branchen insgesamt, in den auch für Österreich interessanten Bereichen Maschinenbau, erneuerbare Energie, Medizin, Tourismus, Landwirtschaft und Aerospace. "Weitere sind in Planung." Gerne würde der vorausblickende Rektor auch mit Unternehmen und Universitäten aus Österreich enger zusammenarbeiten: "Wir sind offen für internationale Kooperationen." Ein erstes Treffen mit österreichischen Firmen- und Forschungsvertretern hat bereits stattgefunden.
Mit anderen Worten
Termin im Parlament, das seit 9/11 streng, aber nicht unhöflich bewacht wird. Das vom österreichischen Architekten Clemens Holzbauer geplant wurde und aus heutiger Sicht an eine ästethisch wie politisch längst überholte Ära erinnert. Auch nicht ohne, was ein Stadthistoriker über den allseits gepriesenen Star-Architekten erzählt: "Auf der einen Seite ließ er sich von den Türken mit etlichen Großaufträgen versorgen, kassierte dafür auch kräftig ab, auf der anderen Seite ließ er sich zum Präsidenten einer Vereinigung wählen, die die Befreiung Wiens von den Türken feierte." Das Büro vom Abgeordneten Yasar Yakis findet man im zweiten Stock. Yakis ist ein Staatsmann der alten Schule, war einmal Botschafter in Österreich, und kurz auch Außenminister. Auf die Frage, ob der türkische Botschafter in Wien mit seiner Kritik an Österreich Recht haben könnte, sagt Yakis Folgendes: "Ich würde es vielleicht mit anderen Worten formulieren, um allerdings in der Sache das Selbe zu sagen." Der Politiker ist Vorsitzender einer Kommission, die im türkischen Parlament die Harmonisierung der türkischen mit den EU-Gesetzen vorantreiben will. Im Interview betont er auch, dass die Türkei bis zum Jahr 2015 ihre Hausaufgaben erledigen wird. "Das hat für uns den Vorteil, dass wir dann eine First-Class-Demokratie haben werden. Die Europäische Union kann uns dann nur blockieren, weil sie uns blockieren will, aber nicht, weil wir nicht reif für einen Beitritt wären." Vielleicht kommt es ja auch gar nicht so weit: "Es ist durchaus möglich, dass sich die öffentliche Meinung in der Türkei ändert, und wir der EU gar nicht mehr beitreten wollen."
Dieser Blog erscheint redaktionell unabhängig in Kooperation mit der Außenwirtschaft Österreich der Wirtschaftskammer Österreich sowie mit dem Wirtschaftsministerium. Die Export-Offensive go-international soll österreichische Unternehmen zu geschäftlichen Aktivitäten im Ausland motivieren und dabei unterstützen.
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