... und geht mit Nunu Kaller essen (2/2)

Nunu Kaller: Der Anarcho-Hase hätte ihr gefallen, sie blieb im "Muso Koroni" aber enthaltsam.
Klima-Blog, Woche 16: Die Wienerin im Gespräch über ihre Mode-Diät, Chemikalien-Einsatz, Kleidertauschpartys und Selbstmorde indischer Baumwoll-Bauern.
Stefan Hofer

Stefan Hofer

Wie kürzlich berichtet, habe ich Nunu Kaller zum Interview getroffen. Nunu Kaller kauft ein Jahr keine Kleidung - und sorgt damit medial für Aufsehen. Wir haben uns nach dem Besuch im Vegan-Shop "Muso Koroni" im Cafe Hummel in Wien über folgende Themen unterhalten...

… die Idee, ein Jahr keine Kleidung zu kaufenHabe ich im Winter beschlossen. Kurz vor Weihnachten bin ich in einer Zeitschrift auf dieses Konzept gestoßen. Ich hab mir am letzten Tag vor Beginn des shoppingfreien Jahres noch einen Mantel gekauft, in einem leichten Anflug von Panik. Zurück in Österreich ist es am Montag losgegangen. Ich hab mir für dieses Jahr nicht nur vorgenommen, nichts zu kaufen, sondern mich auch über die Hintergründe der Kleidungs-Produktion zu informieren.

… die Reaktion deines FreundesEr war Feuer und Flamme! - ihn hat meine Shopperei eh schon genervt. Wofür ich ihn sehr lieb hab: Er hat sofort gesagt, er wird diplomatisch auch ein Jahr auf etwas verzichten, was ihm wirklich schwerfällt: auf Gummibärchen (lacht). Er unterstützt mich.

... der Kollektionen-WahnDer Mode-Zyklus ist einfach zu schnell geworden. Früher, als ich etwa zwölf war, hat es maximal vier bis fünf Kollektionen im Jahr gegeben. Und wenn du dir ein T-Shirt eingebildet hast, dann hat man das drei Wochen später auch noch kaufen können. Heutzutage hat Zara bis zu 60 Kollektionen, H&M 40 oder 45. Die kriegen alle zwei Wochen neue Kollektionen geliefert!

... Wegwerf-T-Shirts um fünf EuroEine 20-jährige Bekannte erzählte mir: "Ich hab mir um drei Euro ein T-Shirt gekauft und geh` heute Abend damit weg. Die Naht ist schon ein bissl offen, aber ist eh wurscht, ich hau` es weg und wasche es gar nicht."

Ich sage: T-Shirts länger tragen und gut behandeln. Ich wasche sie selten, nicht über 30, 40 Grad. Und trotzdem sind sie kaputt, weil sie einfach eine miese Qualität haben. Bei Kleidung aus Bio-Produktion hast du in 99 Prozent der Fälle auch eine bessere Qualität. Viele Leute kaufen sich vier T-Shirts, weil sie so schnell kaputt gehen. Dann investiert bitte die 20 Euro für vier T-Shirts in ein Gescheites!

... und geht mit Nunu Kaller essen (2/2)

… Chemikalien in der KleidungEs gibt Einnäher, auf denen sogar steht: Vor dem ersten Tragen waschen. Don’t buy it! Da kaufst du einen Chemiecocktail, der seinesgleichen sucht. Wenn Hersteller sogar zugeben, dass du das Stück vor dem ersten Waschgang nicht auf der Haut tragen solltest, dann ist das sehr bezeichnend.

… Selbstmorde indischer Baumwoll-BauernEin Viertel aller weltweit eingesetzten Pestizide landet auf der Baumwolle. Schockierend ist die Vorgangsweise von Monsanto (Anm.: In Indien hat der US-Agrarkonzern mit gentechnisch veränderten Baumwollsamen ein Monopol geschaffen und die traditionellen, billigeren Samen vollständig verdrängt). Die Bauern verschulden sich, weil sie Land dazukaufen, da Monsanto ihnen vermittelt, sie können mit gentechnisch modifizierten Samen viel mehr ernten. Diese Gensamen sollten resistent gegen den Kapselwurm - der gefährlichste Schädling bei Baumwolle - sein. Nach nur einer Saison war der Wurm wieder da, die Bauern hatten Unmengen an Geld für Samen und Land ausgegeben und standen vor dem Nichts. Dieses Spiel wiederholt sich derzeit sogar. Insgesamt sollen sich über 200.000 Bauern deshalb bereits allein in Indien umgebracht haben - in den meisten Fällen trinken sie Pestizide.

... und geht mit Nunu Kaller essen (2/2)

 … Alternativen zu BaumwolleBis vor 200 Jahren kannte man Baumwolle nicht. Da trugen die Menschen Leinen, Bambusfasern und irrsinnig viel Hanf - mein Lieblingsbeispiel. Hanf ist - vor allem in den USA - extrem kriminalisiert worden, dadurch ist das Wissen darüber verloren gegangen. Der Vorteil bei Hanf: Es wird kein Unkrautvernichter benötigt, der Hanf ist das Unkraut. Er ist auch einfacher zu ernten. Langsam baut sich dieses Wissen um Hanf wieder auf.

… was tun mit alter KleidungAltkleidersammlungen sehe ich seit einer TV-Doku darüber relativ kritisch. Das Zeug haut den afrikanischen Textilmarkt komplett zusammen, weil die liefern da tonnenweise runter, dort wird es auf Secondhand-Märkten verkauft, es gibt keine eigene afrikanische Textilproduktion mehr, weil die nicht mithalten können. Aus dem Bauch heraus denke ich zunächst einmal an Tauschpartys - eine findet etwa am 10.10. in Wien in der Sargfabrik statt (alle Infos zur Kleidertauschparty). Oder du gibst es wirklich dort weiter, wo du siehst, dass es ankommt, etwa Decken und Jacken direkt in der Gruft, dem Caritas Betreuungszentrum. Da wird es gebraucht, ohne Transport-Zwischenschritte.

... Verschleiss und wie es nach dem Jahr weitergehtEs gibt Sachen, die sich schon auswaschen und grauslich werden. Wenn sie löchrig werden, nähe ich sie. Aber grundsätzlich ist noch genug da. Und danach geht es auch gar nicht mehr anders: Ich möchte nicht mehr aus konventioneller Produktion kaufen, sondern auf die Herkunft achten. Gerade jetzt, wo mein Blog so eine Breitenwirkung hat, könnte ich es vor mir selbst und vor anderen gar nicht mehr verantworten, ein T-Shirt um fünf Euro zu kaufen. Und vor allem: Ich will es auch gar nicht mehr.

Infos

Konsequent nachhaltig leben - ist das überhaupt möglich? Ein Selbstversuch in 52 Wochen. Alle Blog-Einträge seit Mai können Sie hier nachlesen. Ich freue mich über Anregungen. Bleiben Sie mir gewogen!

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