Aber, ehrlich: Da kam nix

Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Die Welt schien mir wahnsinnig kompliziert.

von Gabriele Kuhn

freute sich auf Weihnachten.

Tagelang hatte ich mich angestrengt, etwas Großes und Wichtiges aus meiner November-1989er-Gedankenwelt zu kramen – politische Worte, politische Gedanken, eine innere Spur von Ost nach West. Aber, ehrlich: Da kam nix. Im November 1989 war ich 28 Jahre alt und Mutter eines zweijährigen Sohnes. Daran erinnere ich mich und nur daran. Deshalb bin ich in den Keller gegangen, in der Hoffnung, irgendetwas zum Thema " Mauerfall" in meinen Tagebüchern zu finden.

Aber, ehrlich: Da kam nix

Das 89er hatte ich rasch zur Hand, um festzustellen: In der Zeit ging es mir vor allem um mich, um meine Rolle als Mutter, als Frau, um Veränderung – um die vielen Schnupfen (Ohrenweh inklusive) meines Sohnes. Um seine ersten Trotzanfälle, unsere Türkenschanzparkbesuche, meinen Schlafmangel und um die alles bestimmende Frage, wo ich in Wien Biomilch kaufen kann. Klingt schlicht, stimmt. War’s aber nicht. Ich empfand mich kompliziert, und auch die Welt schien mir wahnsinnig kompliziert (da ahnte ich freilich noch nicht, wie kompliziert sie 25 Jahre später sein würde). Und trotzdem freute ich mich damals schon Anfang November auf Weihnachten.

Apropos: Just im Tagebucheintrag vom 25.12.1989 findet sich ein Satz zum Thema Ost/West-Öffnung, ich schrieb: "In Rumänien hat das Volk über Ceausescu gesiegt; trotzdem sind die Leute arm, angesichts der vielen Opfer, die für die Freiheit sterben mussten." Na, immerhin ein bissi was.

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