Das Ende des Schweigens

Wie ehemalige Heimkinder die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit selbst in die Hand nehmen.
Georg Hönigsberger

Georg Hönigsberger

Viele haben sich gefunden. Personen, die unterschiedlicher nicht sein können. Der Pensionist, der ehemalige Häf`nbruder und nunmehrige Buchautor, die Altenpflegerin, die Unternehmerin, der aufopfernde Opa, die fürsorgliche Mutter, der Taxler, der Rettungsfahrer ...

Was die Leute über all ihre Unterschiedlichkeit hinweg eint, ist die Erfahrung, die sie monate- oder jahrelang in Kinderheimen machen mussten. In Tirol oder in Oberösterreich, in der Steiermark oder in Wien. Die meisten haben über Jahre und Jahrzehnte geschwiegen. Weil sie die Erlebnisse verdrängt hatten, weil sie die oftmals als schrecklich empfundene Zeit schlicht bewusst hinter sich lassen wollten, weil sie, als sie die Dinge früher angesprochen haben, gegen amtliche Mauern gestoßen sind oder schlicht aus Scham.

Die eingangs erwähnten Vielen haben die Mauer des Schweigens durchbrochen. Im Oktober des Vorjahres, nach den ersten Berichten über Missbrauch in Wiener Kinderheimen im KURIER, formierte sich auf kurier.at eine bunt zusammengewürfelte Gemeinschaft. Man tauschte sich über die Erfahrungen in Kinderheimen aus. Wenig später nahmen eifrige Poster das Heft selbst in die Hand und gründeten das Internet-Forum www.wir-heimkinder.at, das schon fast 200 Mitglieder zählt und täglich wächst. Auch seitens der Stadt Wien und der Wilhelminenberg-Kommission verfolgt man die Einträge im Forum regelmäßig.

Es blieb nicht bei virtueller Konversation. Einzelne Forumsmitglieder trafen sich. Freundschaften sind entstanden. Mittlerweile gibt es regelmäßige Treffen. Kleinere, zu denen sich vorwiegend "die Wiener" gesellen und alle paar Monate auch größere Zusammenkünfte, zu denen auch ehemalige Heimkinder aus der Steiermark oder Tirol anreisen. Das sind keine düsteren Versammlungen, bei denen über Erlittenes lamentiert wird, sondern durchaus erfrischende abendliche Gesellschaften. Da werden Fotos oder die eine oder andere Erfahrung und Erinnerung ausgetauscht. Die Heimzeit ist präsent, steht jedoch nicht im Mittelpunkt.

Und auch dem Aktionismus haben sich einige Ehemalige verschrieben. Mehr dazu demnächst im KURIER.

 

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