Sperrt die Foren zu!

Thomas  Trescher

Thomas Trescher

Die in den Foren verbreiteten Meinungen sind nicht die einer schweigenden Mehrheit, sie sind die einer geifernden Minderheit

von Thomas Trescher

über Diskussionskultur

Voller Gestank sei die Welt, schrieb Thomas Bernhard im Jahr 1971 in seiner Erzählung "Gehen". Weil "alle überall ihre Köpfe entleeren wie Abfallkübel. An dem Gestank, den dieser unendliche Gedankenunrat verursacht (…), wird die Welt, werden wir eines Tages zweifellos ersticken." 45 Jahre später sind es Internetforen, aus denen es am meisten stinkt, in denen der meiste Gedankenunrat landet.

"wenn sie an der grenze krepieren,sollens einfach wieder umdrehen! hier wollens die allerwenigsten!", "Ah, die Dänen haben genug davon, sich ständig von einer bestimmten Minderheit (zumindest in Europa: noch...) und deren schwachsinnigen sozialdiplomierten Helfershelfern ficken zu lassen. Die Dänen ficken nunmehr zurück... sehr erfrischend!", "Sie sind ein anatomisches Wunder mit direkter Verbindung zwischen Mastdarm und Mund, da aus Ihnen nur Sch....eisse hervorquillt.....!!!!!" - ein kurzer Auszug aus Postings, die sich heute morgen im Kurier-Redaktionssystem fanden. Von 0 Uhr bis 6 Uhr früh werden Postings nicht mehr automatisch freigeschaltet. Weil die Menschen eben Dinge wie die obenstehenden schreiben. Jeden Morgen muss sich jemand durch den geistigen Müll wühlen, den manche nachts in ihre Tastaturen klopfen, das Erträgliche vom Unerträglichen trennen. Es gibt eine eigene Liste an Wörtern, nach denen Postings automatisch durchsucht werden. Damit möglichst wenige beleidigende, rassistische und hasserfüllte Postings durchrutschen und versehentlich veröffentlicht werden. Das, was Kurier-Leser in den Postings wiederfinden, und über das sich manche mit gutem Recht beklagen, das ist lediglich die Spitze des Eisbergs. Natürlich gibt es sie auch, die konstruktiven Poster, die Argumente vorbringen, die uns auf Fehler hinweisen und zivilisiert diskutieren. Aber subjektiv gesehen werden sie leider immer weniger. Es ist deshalb an der Zeit, sich die Sinnfrage zu stellen: Warum tun wir uns das an?

Seit rund zehn Jahren gibt es Foren und Postings, der Journalist und Autor Russell Smith hat im Dezember des Vorjahres in der kanadischen Tageszeitung The Globe and Mail deshalb eine Bestandsaufnahme des Status Quo gewagt, er kam zu einem traurigen Schluss: "Es hat sich herausgestellt, dass die Menschen viel dümmer sind als wir erhofft hatten." Ich glaube nicht, dass er recht hat. Vielmehr ist er selbst ein Opfer dieser Posting-Kultur: Wer zu viel Zeit in Online-Foren verbringt, wird fast zwangsläufig zum Misanthropen, der an der Menschheit (ver)zweifelt.

Aber die in den Foren verbreiteten Meinungen sind nicht die einer schweigenden Mehrheit, sie sind die einer geifernden Minderheit, die umso lauter ist, je absurder ihre Positionen. Wer einer Posterin "wir wollen uns jetzt besser nicht vorstellen, warum die notgeilen jungen Araber einen Bogen um Sie machen“"antwortet, hat es nicht verdient, gehört zu werden. Wir sollten aufhören, diesen Menschen ein Forum zu geben. Das hat nichts mit Zensur zu tun, sie können ihre Meinung weiter verbreiten, wann, wo und wie oft auch immer sie wollen – aber eben nicht hier. Das bedeutet nicht, die Kommunikation mit den Lesern abzubrechen, konstruktiven Kommentaren könnte sogar ein prominenter Platz eingeräumt werden; aber auch auf den Leserbriefseiten einer Printzeitung wird selbstverständlich vorselektiert. Und wieso sollten wir jenen auf einer journalistischen Plattform eine Bühne zur Veröffentlichung bieten, die Verschwörungstheorien, Halb- und Unwahrheiten verbreiten? Machen wir uns damit nicht mitschuldig an der Verbreitung wirren Gedankenguts und blinden Hasses?

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