"Klimakonferenz wird als markantes Ereignis in Erinnerung bleiben"
Keine Konferenz war stärker durch die Lobbies der Industrie unterwandert.
Frage: Der Tross der Entscheidungsträger zieht nach Tagen zähen Verhandelns über strengere Klimaziele aus Warschau ab - mit einem minimalen Kompromiss im Gepäck. Zynisch gesprochen: Auch der Taifun "Haiyan" - mit all seinen tragischen Folgen - hat es nicht geschafft, die verantwortlichen Politiker wachzurütteln. Was bleibt, Herr Wahlmüller?
Wahlmüller: Die Klimakonferenz in Warschau wird trotz des enttäuschenden Ergebnisses als ein markantes Ereignis in der Geschichte der Klimaverhandlungen eingehen. Keine Konferenz war stärker durch die Lobbies der Industrie unterwandert, nie wurde so erbittert dagegen protestiert. Hungerstreiks von Delegierten, tausende Tote auf den Philippinen, weinende Repräsentanten und immer wieder der Appell die vielleicht größte Katastrophe, die auf uns zurollt, endlich entschlossen zu bekämpfen: Am Ende steht ein vager Minimalkompromiss und eine entrüstete Zivilgesellschaft die erstmals in der Geschichte die Konferenz verlassen hat.
Polen brüskiert mit Weltkohlekonferenz
Der Gastgeber Polen ließ dabei keine Gelegenheit aus, diejenigen zu brüskieren, die sich für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt einsetzten: So wurde bereits auf der Willkommensseite angegeben, dass es sich bei "Klimawandel um ein natürliches Phänomen handelt, das immer wieder vorkommt." - in krassem Gegensatz zu den Erkenntnissen des Weltklimarates, der erst vor wenigen Wochen festgestellt hat, dass der Mensch eindeutig die Ursache für den jetzt beobachteten Klimawandel ist. Mit offiziellen Sponsoren aus der fossilen Industrie und dem Abhalten der Weltkohlekonferenz parallel zur Klimakonferenz hat Polen nicht nur unter Umweltschützern Entrüstung hervorgerufen und sich mit der Entlassung des Umweltministers zwei Tage vor dem Ende der Konferenz einen Affront gegenüber all jenen geleistet, die ernsthaft Klimaschutz vorantreiben wollen. Der Protest ließ nicht lange auf sich warten.
NGOs verlassen Gipfel
Als am Donnerstag zum ersten Mal in der Geschichte etwa 800 Delegierte von NGOs, wie Friends of the Earth International, WWF, Greenpeace, Oxfam und der internationalen Gewerkschaftsbewegung in einem Protestzug die Konferenz verließen und "Polluters talk - we walk!" skandierten, protestierten sie aber nicht nur gegen die Rolle des Gastgebers, sondern forderten auch eine Führungsrolle der entwickelten Industrienationen ein und kündigten an wiederzukehren - "volveremos" - weil es so wichtig ist, dass dieser UN-Prozess zum Erfolg geführt wird.
Die Achillesferse der Verhandlungen
Die mangelnde Führungsrolle der Industrienationen ist dabei die Achillesferse der Verhandlungen. Sie haben bis dato die meisten Emissionen verursacht und die größten Kapazitäten Klimaschutzmaßnahmen zu setzen. Ohne substantielle Schritte der großen Industrienationen sinkt die Bereitschaft aller anderen - auch China und Indien - auf internationaler Ebene Verpflichtungen einzugehen dramatisch. Dabei ist das einzige Ergebnis der letzten zwei Wochen aber jenes, dass Japan seine Klimaziele verringerte, die USA und Kanada über diese Themen nicht ernsthaft reden wollen und auch die EU bei ihren niedrigen Zielen bis 2020 bleibt, obwohl das Ziel 20 Prozent der Emissionen gegenüber 1990 zu reduzieren, bereits Jahre zuvor erreicht ist und nur noch wenig bedeutet.
Schwache Ziele und vage Zusagen an Entwicklungsländer was finanzielle und technologische Unterstützung betrifft, das ist der fragile Rahmen des Vertrauens, in dem hier versucht wird Entschlüsse zu fassen. Und das erklärt auch, warum selbst scheinbar einfache Dinge, wie die Erstellung eines Arbeitsplans zum nächsten Weltklimavertrag, zum Politikum werden und einen Verhandlungsmarathon auslösen. Und weil bis dato die Angebote Emissionen zu reduzieren, nicht ausreichen um katastrophale Klimaschäden zu vermeiden, rücken für Entwicklungsländer finanzielle Unterstützung und Kompensation immer stärker in den Vordergrund. Bei vielen Ländern geht es ums blanke Überleben, Millionen drohen zu Klimaflüchtlingen zu werden. Die Verhandlungsergebnisse der letzten Jahre stärken das Vertrauen nicht gerade, dass ausreichend getan wird um das Schlimmste zu vermeiden. Die immer stärkere Forderung nach konkreter finanzieller Hilfe war in Polen deshalb stark spürbar.
Nur glaubwürdige Front-Runner können zum Durchbruch beitragen
Gegen dieses Patt muss entschlossen vorgegangen werden und mit ihrem spektakulären Auszug hat die Zivilgesellschaft hier ein deutliches Lebenszeichen gezeigt und klargemacht, dass sich einiges ändern muss, wenn Paris 2015 erfolgreich werden soll. Die kommenden Präsidentschaften der Klimakonferenzen aus Peru und Frankreich haben bereits Gesprächsbereitschaft gezeigt, was als erstes Indiz gewertet werden kann, dass nicht nur NGOs bewusst ist, dass fundamentale Änderungen notwendig sind. Was es aber vor allem braucht sind Länder, die vorangehen und in ihren Ländern die notwendigen Veränderungen einleiten. Wenn jetzt die Repräsentanten der einzelnen Nationen heimreisen, sollen sie also nicht darauf warten, dass sich in einem Jahr vielleicht etwas gebessert hat, sondern die Zeit nutzen, indem sie ihre nationale Klimapolitik auf Vordermann bringen. Nur glaubwürdige Front-Runner können zum Durchbruch beitragen. Auch Österreich soll sich in die Reihen derer eingliedern, die klarstellen, dass sie etwas bewegen wollen und mit einer ernsthaften Klimapolitik in Österreich anfangen. Wer das unterstützen will, kann dies durch die Unterstützung der folgenden Petition ausdrücken: www.global2000.at
Zur Person
Johannes Wahlmüller arbeitet bei Global 2000 und ist Experte für die Bereiche Klima und Energie.
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