"Skibetrieb wirkt sich auf Massenbilanz nicht negativ aus"

Ungewöhnlich wirken auch diese Schlitten...
Jüngst wurde Andrea Fischer als "Österreicherin des Jahres" ausgezeichnet. Für den KURIER schaute die Tiroler Glaziologin die in den Kinos anlaufende Doku "Chasing Ice" und erklärt, welche Einflüsse der Wintersport auf das ewige Eis hat.
Stefan Hofer

Stefan Hofer

Skibetrieb wirkt sich nicht negativ aus

von Mag. Stefan Hofer

über die Massenbilanz von Gletschern

Frage: Haben Sie durch die Dokumentation "Chasing Ice" (Kinostart in Österreich: Freitag, 29.11.2013) Fakten erfahren, die Ihnen als Expertin bislang unbekannt waren? Und schadet der Skitourismus im hochalpinen Gebiet eigentlich den Gletschern, Frau Fischer?

Fischer: Filme wie ‚Chasing Ice‘ sind faszinierend, weil sie uns Veränderungen in der Natur eindrucksvoll vor Augen führen. An den Zungen der Gletscher, vor allem wenn sie ins Meer kalben, sind Veränderungen am deutlichsten sichtbar, und das Abrechen von Eisbergen ist ein spektakuläres Schauspiel. Schon Al Gores Film "Eine unbequeme Wahrheit" bediente sich des Kalbungsprozesses, um auf den Klimawandel aufmerksam zu machen. Dabei geht oft unter, dass sowohl Schmelzprozesse als auch Kalbungsereignisse auf Gletscherzungen zum "Leben" eines Gletschers gehören, und ohne den Vergleich mit Massenänderungen im Firngebiet keine Aussage über die Massenbilanz erlauben.

Film Chasing Ice ist faszinierend, zeigt aber nichts wesentlich Neues

Aus wissenschaftlicher Sicht sind Zeitrafferaufnahmen immer interessant, da sie kleinräumige und kurzfristige Prozesse zeigen, die meist noch nicht sehr gut in numerischen Modellen abgebildet werden können. Dazu muss aber gesagt werden, dass diese punktuellen Untersuchungen über kurze Zeiträume zwar spannend sind, aber nicht sehr große Aussagekraft haben. Gletscher verhalten sich nämlich sehr individuell, und Rückzüge oder Vorstöße stellen nicht notwendigerweise eine Reaktion auf einen Klimawandel dar. Es gibt zum Beispiel sogenannte "surge type"-Gletscher, die immer wieder vorstoßen und danach mehrere Dekaden an der Zunge zurückgehen und im Firngebiet Masse für einen neuen Vorstoß aufbauen. Um solche Phänomene von den Auswirkungen des Klimawandels unterscheiden zu können, braucht man Beobachtungen über mehrere Jahrzehnte, und auch von einer großen Anzahl an Gletschern. Deshalb betreibt der Gletschermessdienst des Oesterreichischen Alpenvereines seit 1891 jährliche Messungen an über Hundert Gletschern. So können kurzfristige und kleinräumige Phänomene an einzelnen Gletschern von langfristigen Trends unterschieden werden.

Trailer zum Film "Chasing Ice"

Auch wir haben uns die Frage gestellt welche Auswirkungen der Skibetrieb auf die Massenbilanz eines Gletschers hat. Für Gletscher in Skigebieten haben wir diese Frage untersucht, indem wir deren Volumsänderungen in den letzten Dekaden mit benachbarten Gletschern ohne Skibetrieb verglichen haben. Dabei zeigten sich kaum Unterschiede in den Volumsänderungen, der Schibetrieb wirkte sich also in den letzten Jahrzehnten nicht negativ aus.

Im Zuge des Skibetriebes auf Gletschern getroffene Maßnahmen, die ohne diesen nicht durchgeführt und finanziert werden könnten, zeigen lokal deutlich positive Auswirkungen.

Ergänzend dazu haben wir auch kleinräumige Untersuchungen durchgeführt und die Massenbilanz von Pistenflächen mit derer unpräparierter Flächen verglichen. Dabei war die Massenbilanz von Pistenflächen weniger negativ als die nicht präparierter Flächen. Der Grund dafür ist, dass durch die Verfestigung der Schneeoberfläche weniger Schnee durch Wind abtransportiert wird, und deshalb mehr Schnee auf der Piste liegt und das Gletschereis länger vor Abschmelzung geschützt ist. In einigen Gletscherskigebieten wird in neuralgischen Bereichen auch durch das Abdecken mit Vliesen, das Einschieben von Schnee oder das Aufbringen von Technischen Schnee die Schmelze minimiert. Diese Maßnahmen führen sogar lokal zu positiven Massenbilanzen, wenn sie auch auf die Gesamtfläche österreichischer Gletscher gesehen nur minimale Auswirkung haben.

"Skibetrieb wirkt sich auf Massenbilanz nicht negativ aus"

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Zur Person Nach dem Studium der Physik und der Umweltsystemwissenschaften an der Karl–Franzens Universität in Graz absolvierte Andrea Fischer ein Doktoratsstudium an der Universität Innsbruck im Bereich glaziologischer Satellitenfernerkundung. Seit 2003 arbeitete sie als PostDoc an der Universität Innsbruck und dem AlpS Forschungszentrum. 2010 wechselte Andrea Fischer an das Institut für Interdisziplinäre Gebirgsforschung der Akademie der Wissenschaften in Innsbruck. Ihre Hauptforschungsinteressen gelten dem Langzeitmonitoring, der Erforschung von Gebirgsgletschern und angewandter Glaziologie.

Infos Hier geht's zur Website des Films "Chasing Ice". Wer sich eingehender mit dem Thema auseinandersetzen möchte, findet auf folgenden Websites wertvolle Infos:

Interdisziplinäre Gebirgsforschung - Interdisciplinary Mountain Research

Glaziologie Österreich

"Skibetrieb wirkt sich auf Massenbilanz nicht negativ aus"

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