Tanzen ist bei Dancing Stars nur zweitrangig

Tanzen ist bei Dancing Stars nur zweitrangig
Migrationshintergründe, sexuelle Orientierung und politisch-satirische Reibeflächen - der perfekte Mix für einen Schweinsfüßler.
Dieter Chmelar

Dieter Chmelar

Worum geht`s bei Dancing Stars wirklich? Um Tanz und um Glanz? Ums Voten und um Quoten? Um künstliche Überhöhung von gekünstelter Unterhaltung? Um die schnellsten Schritte oder um die besten Ausschnitte (auch im Sinne von: Dekolletés)? Um die reine Freude beim Zuschauen oder um die reinste Freude mancher Zuschauer, nämlich: sich nach Herzenslust ärgern, aufpudeln und moralisch entrüsten zu dürfen? Ein nicht zu unterschätzendes therapeutisches Ventil! Das Format füllt auch ein wenig die öffentlich-rechtliche einjährige Lücke von Lugner zu Lugner ... Quasi ein wöchentlicher Opernball als Ersatzdroge. Zehn Hauptabende mit dutzenden Nebensächlichkeiten und mit manch aufgeblasenen Aufregern, die sich ja doch meist in heißer Luft auflösen. Lugen um zu lästern und hinschauen um zu hassen sind hierzulande weit verbreitete Antriebsfedern fernzusehen. DancingStars polarisiert. In Wahrheit handelt es sich wohl "nur" um einen groß angelegten und gelungen inszenierten Gruppentanz systemimmanenter ökonomischer Interessen des Senders und seiner Werbekunden einerseits bzw. legitimer emotionaler Erwartungshaltungen seines zahlenden Publikums andererseits. Rauschende Roben, erhebendes Ambiente, berückende Bilder, wieder erkennbare Gesichter und sowohl zumutbare als auch nachvollziehbare (gesellschaftlich wohlgelittene!) Herausforderungen für prominente wie professionelle Protagonisten - das ist die durchaus feine Rezeptur, die wir der BBC verdanken. Stars aller Gewichtsklassen (ich bin z. B. ein C-Promi, allein schon, weil Chmelar mit C beginnt) müssen sich wochenlang quälen, müssen ächzen, stöhnen und schwitzen und über ihren Schatten springen (bekanntlich die schwierigste Turnübung), aber sie dürfen das alles zu guter Musik und in eleganter Kleidung und ohne nackt in Maden zu baden oder genüsslich Geschlechtsteile von Kängurus zu konsumieren. Das Besondere an der neuen (nun bereits sechsten) Staffel von Dancing Stars im ORF: Über das bloße Format hinaus polarisieren diesmal auch einige Stars, jedenfalls mehr als bisher. Migrationshintergründe (wie bei Jukic und Galeli), sexuelle Orientierung (wie bei Haider und Kröger) bzw. politisch-satirische Reibeflächen (wie bei Nowak und Chmelar) ergeben eine zusätzlich explosive Gemengelage, weit über die tänzerischen Darbietungen hinaus. Wer also Dancing Stars von einem intellektuellen Hochstand aus unter Beschuss nimmt oder missachtet oder verharmlost, der hat sie 2011 ein wenig unterschätzt bzw. schlicht und einfach nicht ausreichend verstanden. Ginge es bloß ums Tanzen, empfiehlt sich ein Wechsel zu TW1 oder Eurosport. Dort zeigt man gern (meist um 2.30 Uhr früh) Turniere mit atemberaubend guten und schönen MeisterInnen ihres Faches. Freilich: Bei Dancing Stars ist Tanzen nur zweitrangig und vermutlich deshalb allein von der genialen Grundidee des Formats her kaum jemals erstklassig. NUR SO können Schweinsfüßler wie ich ja auch teilnehmen.

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