In Deutschland beherrscht die Debatte über den Umgang mit der rechtsextremen AfD das Sommerloch. Weil CDU-Chef Friedrich Merz eine Kooperation in Gemeinden nicht mehr ausschloss, erntete er einen Shitstorm. Hintergrund: Die AfD liegt mit 22 Prozent schon auf Platz 2.
In Österreich sind wir da schon zwei Schritte weiter: Dass die FPÖ in Umfragen auf dem ersten Platz liegt und erstmals auch ein Wahlsieg der Blauen möglich erscheint, wird fast achselzuckend zur Kenntnis genommen. Der Bundespräsident hat wohl schon Albträume, ob er, den Usancen entsprechend, Herbert Kickl mit der Regierungsbildung betrauen würde. Gar nicht auszumalen, ob er ihn auch zum Kanzler angeloben würde. Thomas Klestils Rekord im Böse-Dreinschauen aus dem Jahr 2000 wäre 24 Jahre später in größter Gefahr.
Während fast alle ÖVP-Minister der aktuellen Regierung eine Zusammenarbeit mit Herbert Kickl ausgeschlossen haben, regiert die FPÖ in Niederösterreich, Oberösterreich und Salzburg bereits munter mit; nicht zu vergessen ist, dass SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl die Blauen schon 2015 an den burgenländischen Regierungstisch geholt hatte. Auf Bundesebene hatte die SPÖ in der Regierung Sinowatz-Steger die Freiheitlichen als Partner. In jüngerer Vergangenheit beschränkten sich die rot-blauen Kontakte im Bund auf gemeinsame Spargelessen (Alfred Gusenbauer und Jörg Haider) sowie verzweifelte Versuche Christian Kerns, seine Kanzlerschaft mit einem Vizekanzler Strache zu retten.
Die immer wiederkehrende Frage bleibt aber: Soll man weit rechte (oder auch ganz linke) Parteien ausgrenzen oder innerhalb klar vorgegebener inhaltlicher Schranken einbinden? Wolfgang Schüssel hielt seine roten Linien gegenüber der Haider-FPÖ etwa in einer Präambel fest. Faktum ist: Die Ausgrenzungstheorie hat bisher so gut wie nie funktioniert. Sie hat Protestparteien zumeist größer gemacht, weil ihnen die Gelegenheit gegeben wurde, vom Spielfeldrand aus alles und jeden zu kritisieren, ohne eigene Vorschläge machen zu müssen. Gerade in Krisenzeiten wie jetzt reicht das für einen Umfragen-Turbo. Die FPÖ lehnt sich auf Bundesebene sogar nur bequem zurück und sieht zu, wie sich die Regierungsparteien mit Inflation, Klimaschutz und bei der Ärztekrise aufreiben und ihnen Wähler zutreiben (übrigens ist auch vom SPÖ-Marxisten Andreas Babler seit Wochen nicht mehr viel zu hören).
Bleibt die Einbindung in der Hoffnung, dass im pragmatischen Regierungsalltag Extrempositionen abgeschliffen werden. Die selbst ernannte Postfaschistin und italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist schon dort angekommen und hat sich auf EU-Ebene bisher zumeist kooperativ verhalten. Nun wurde sie sogar vom Demokraten Joe Biden wegen ihrer China-kritischen Politik ins Weiße Haus eingeladen. Wünschenswert wäre also inhaltliche Debatten über die Positionen der Populisten. Und eine Stärkung der demokratischen Institutionen und Kontrollen. Das ist mühsam. Aber es ist besser, als einfach aus Prinzip immer Nein zu sagen.
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