Arbeit am Sonntag
Der Besitzer eines Geschäfts weiß am besten, ob es sich auszahlt, aufzusperren.
Offene Geschäfte am Sonntag bringen begehrte Jobs und erhöhen den Umsatz, weswegen Arbeitnehmer dafür in Frankreich auf die Straße gingen.
Der Bahnhof Praterstern in Wien mit seiner Supermarktfiliale mag keine Touristenattraktion sein, jedoch besuchen ihn am Sonntag wohl mehr Menschen als den Stephansdom. Wer dort schon aufgrund von Vergesslichkeit oder unregelmäßigen Arbeitszeiten Lebensmittel nach 20 Uhr bzw. am Sonntag eingekauft hat, könnte meinen, Wien wäre von einer Lebensmittelknappheit erfasst. Ähnliches spielt sich an den Advent-samstagen in den Einkaufsstraßen ab – tags darauf ist ja zu.
Und trotzdem wehren sich viele in Österreich gegen die Sonntagsöffnung. Aber was sagen, abseits der Ideologie, ökonomische Studien zu den Vor- und Nachteilen von mehr Freiheit bei den Ladenöffnungszeiten? Was zeigt die Praxis anderer Länder?
Das am nächsten liegende Beispiel ist Deutschland. Dort wurden 2006/2007 in sieben Bundesländern die Öffnungszeiten von Montag bis Samstag freigegeben. Das Resultat: Die Teilzeitbeschäftigung stieg um drei bis vier Prozent, die Vollzeitbeschäftigung blieb konstant. Die Umsätze änderten sich auch nicht, dafür sanken die Preise leicht.
Untersuchungen, wie sich diese für den Handel nicht eben günstige Kombination auf die Unternehmen auswirkte, gibt es nicht. Allerdings: Der Besitzer eines Geschäfts weiß selbst am besten, ob es sich auszahlt, öfter aufzusperren oder nicht.
Vergleichbare Studien in Kanada, Schweden, Griechenland und der Schweiz liefern das gleiche Ergebnis: Längere Öffnungszeiten schaffen Arbeitsplätze, beeinflussen die Preise kaum (wenn, dann sinken sie leicht) und bringen höhere Umsätze.
Vive la France
Oft argumentieren Gegner der Sonntagsöffnung, diese rechne sich nicht, weil sich bloß der bestehende Umsatz auf einen Tag mehr aufteile. Oder weil die neuen Teilzeitstellen auf Kosten der Vollzeitstellen gingen. Alle Erfahrungswerte zeigen, dass das nicht stimmt. Bleiben Einwände wie die Sonntagsruhe oder die Befürchtung, Arbeitnehmer würden gegen ihren Willen arbeiten müssen. Lautstärkste Verfechter dieser Argumente sind die Gewerkschaften. Dass Arbeitnehmer dies vielleicht anders sehen, zeigt ein Beispiel in Frankreich.
Seit 2009 sind dort etwa 500 Städte als touristische Zonen deklariert, wo am Sonntag aufgesperrt werden darf. Allerdings gibt es immer wieder Streit um die Auslegung des Gesetzes, so etwa 2013, als zwei Baumarktketten ihre Filialen im Großraum Paris öffneten. Sie nahmen damit 120.000 Euro Strafe pro Filiale in Kauf. Das in österreichischen Augen Unglaubliche: Die Mitarbeiter standen hinter dem Unternehmen. Hunderte gingen auf die Straße, um ihr Recht auf – deutlich besser bezahlte – Arbeit am Sonntag einzufordern.
Klingt utopisch. Dabei wäre es höchste Zeit, dass auch hierzulande die Gegner der Sonntagsöffnung Arbeitnehmern die Chance auf einen Sonntags-Job nicht länger verweigern.
Dr. Monika Köppl-Turyna ist Ökonomin derDenkfabrik Agenda Austria
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