Warum?

Amoktaten zeigen erschreckende Parallelen - und wirken oft als Vorbild.
Gabriele Kuhn

Gabriele Kuhn

Die eine Täterpersönlichkeit gibt es nicht.

von Gabriele Kuhn

über Amokläufer

Und wieder einmal zeigt der Lauf der Dinge gestern Abend: vorschnelle Urteile sind so gefährlich wie nicht angebracht. Aber wie immer fungierten die Sozialen Medien als Katalysatoren der „Nur-so-kann-es-gewesen-sein“-Maschinerie.

Der erste Blick auf den Täter scheint nun ein anderes Bild zu zeichnen: Offensichtlich handelt es sich um einen jugendlichen Amoktäter. Woran sich naturgemäß sofort die Frage knüpft: Warum? Auch hier gilt: keine vorschnellen Urteile aus der Ferne. Und dennoch gibt es immer wieder Parallelen zwischen Amoktaten in diversen Ländern – etwa Winnenden in Deutschland oder an der US-amerikanischen Columbine Highschool. Psychologen, Kriminologen und Soziologen beschäftigen sich damit. Viele Studien zeigen eine massive Kränkung der Täter – verbunden mit dem Eindruck, nicht „gesehen“ zu werden. Abgewertet – oder eben falsch verstanden. Vielfach zeigt sich ein Mix aus Narzissmus und Depression. Das Gefühl einer tiefgreifenden Kränkung und Wut ist ebenfalls ein häufiges Muster bei jugendlichen Amokläufern. Psychosen, psychische Erkrankungen und schwere narzisstische Persönlichkeitsstörungen spielen oft eine Rolle.

In Deutschland gibt es ein Projekt namens Target, unter der Leitung von Britta Bannenberg, Uni Gießen, das fast alle Amoktaten junger Täter bis 24 Jahre in Deutschland von 1990 bis 2016 untersucht hat. Das sind immerhin 35 Fälle – etwa auch die Taten in Winnenden, Emsdetten oder Erfurt. In dieser Studie zeigt sich etwa ebenfalls, dass die jungen Täter häufig psychopathologische Einzeltäter sind, die aus Wut, Hass und Rache heraus agieren. Psychotische und paranoide Züge können sich zu einem gefährlichen Mix bündeln. Allerdings: Die „eine“ Täterpersönlichkeit gibt es nicht – der Blick auf Tat und Täter muss stets individuell bleiben.

Es bleibt dennoch die Frage offen, was den „Point of no Return“ konkret auslöst. Häufig sind es Vorbilder – im Internet, in den Medien, die zur Tat führen. So betrachtet, können Ereignisse wie zuletzt in Würzburg, wo ein Jugendlicher Menschen in einem Zug angegriffen hat oder eben diverse Terroranschläge als Trigger wirken – als verstärkende Komponente. Das scheint speziell bei Jugendlichen häufig der Fall zu sein. Die Erkenntnisse der Amokexperten zeigen ebenfalls: Bekannte Taten haben Vorbildfunktion. Hier spielen die Medien keine unwesentliche Rolle – denn auch das zeigten die Untersuchungen: Die Täter planten teilweise die Medienresonanz ein. Ein letzter Akt verzweifelter Selbstdartstellung, um dem Hass – auf was auch immer und wen auch immer – einen publiken Raum zu geben. Und weil es sich so häufig um die berühmten „Unauffälligen“ und „Stillen“ handelt, macht das die präventive Einschätzung solcher Taten so schwierig.

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