Amerika kann froh sein, dass es Donald Trump gibt

Moritz Gottsauner-Wolf

Moritz Gottsauner-Wolf

Amerika kann heilfroh sein, dass es einen wie Donald Trump gibt

von Moritz Gottsauner-Wolf

über das TV-Duell

Das meistgesehene TV-Duell aller Zeiten sollte es werden. Eineinhalb Stunden lang durften Donald Trump und Hillary Clinton am Montagabend den Amerikanern und der Welt zeigen, warum sie sich für das Präsidentenamt eignen. Wie gut sie ihre politischen Positionen auswendig gelernt, die Schwächen des Gegners recherchiert und ihre Mimik einstudiert hatten.

Alte Denkmuster infrage gestellt

Dass es dann doch nicht so weltbewegend ausfiel, ist schade, aber nicht weiter tragisch. Hillary Clinton schaffte es über lange Strecken, die Staatsfrau zu geben. Donald Trump war laut, ungezügelt, unhöflich. Das verblüffte dann sogar den ein oder anderen Experten bei der anschließenden Plauderrunde auf CNN. Ein Donald Trump, der sich wie Donald Trump verhält? Potzblitz. Das passte nicht in die Ewartungshaltung des polit-medialen Establishments. Wer über die Atomwaffen-Codes verfügen soll, hat eben ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Verantwortungsgefühl mitzubringen. Die Haltung ist grundvernünftig. Die Verblüffung darüber, dass Trump sich im Vergleich zu den Vorwahlen kaum anders verhält, zeigt aber auch, dass ein großer Teil der US-Politik mit der Situation noch immer nicht zu Rande gekommen ist. Dass die alten Denkmuster infrage gestellt sind und sie es mit einem Kandidaten zu tun haben, dessen Politik zu großen Teilen darin besteht, gerade diese Denkmuster bis ins Letzte zu konterkarieren.

Den etablierten Parteien in Europa muss das bekannt vorkommen. Wer aber gehofft hat, die Amerikaner fänden eine wirksame Antwort auf den neuen Populismus, muss nach dieser Debatte enttäuscht sein. Wenn Clinton die Wahl gewinnt, dann nicht weil sie etwas anders macht, als etwa die Remain-Befürworter in Großbritannien. Sie hat kein Antiserum gegen den Populismus der neuen Rechten gefunden. Staatstragendes Auftreten, moralisierende Angriffe und „Fact-Checking“ haben Trumps jüngste Wiederauferstehung in den Umfragen nicht verhindern können.

Clinton war gut genug

Wenn Clinton die Wahl gewinnt, dann deshalb, weil sie gerade gut genug war und Trump eine Spur zu ungezügelt. Deshalb können beide Hälften Amerikas heilfroh sein, dass Donald Trump Donald Trump ist. Die eine, weil er ihre Wut und ihren Frust kanalisiert. Die andere, weil ein ebenso ideologiebefreiter, aber geschliffenerer Politiker seines Charismas wohl schon mit einem Fuß im Oval Office stünde.

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