Alphatiere und ihre Na und?-Politik

Der Konflikt Türkei-USA ist ein Beispiel dafür, wie Weltpolitik sich von Rationalität entfernt
Andreas Schwarz

Andreas Schwarz

Es ist nicht so, dass es früher nicht auch schon politische Alphatiere gegeben hätte. Ohne ein gewisses Maß an Selbstdarstellungslust, an Eitelkeit und an Machtverliebtheit sind die Erfolgschancen für einen Spitzenpolitiker überschaubar. Aber wer gegenwärtig in der Welt um sich blickt, gewinnt den Eindruck: Die Donald Trumps, Wladimir Putins und Recep Tayyip Erdoğans hauen nicht nur auf den Putz, wie’s ihnen gefällt – sondern sie verändern die Welt ohne Rücksicht auf bewährte Strukturen, Partnerschaften, Allianzen. Und ohne ein Konzept zu haben außer dem einen: Ich.

Trump und Erdoğan sind das aktuellste und ein besonders gefährliches Beispiel dafür, welche Folgen aufbrausendes Gehabe und pubertäres Muskelspiel in der Politik haben können.

Der türkische Präsident fordert von den Amerikanern die Herausgabe des Predigers Fethullah Gülen, den Erdoğan für den Drahtzieher des gescheiterten Putschversuches vor zwei Jahren hält. Der US-Präsident fordert die Freilassung eines unter Hausarrest stehenden evangelikalen Pastors, den Erdoğan für einen Putschistenfreund hält. Weil der eine zornige Bub nicht folgt, verhängt der andere Sanktionen und Strafzölle.

Folge: Der türkische Neo-Sultan fordert seine Landsleute auf, auf die USA – immerhin NATO-Partner – zu pfeifen, vom Bosporus bis Anatolien habe man Allah, das reiche. An der hausgemachten Wirtschaftskrise und der seit Jahresbeginn taumelnden Lira sind plötzlich die Amerikaner schuld, und die Türken glauben’s und zerstören wütend ihre iPhones.

Stimmt schon: Der Außenfeind war immer schon ein Mittel zum Machterhalt, schlag nach bei Frau Thatcher und ihrem Falkland-Krieg. Aber heute ist es fast umgekehrt: keine Macht ohne Außenfeind. Erdoğan hat gleich zwei: die EU, die er mit seinem Verständnis von Rechtsstaat und Menschenrechten brüskiert und jetzt die USA. Wendet die Türkei sich halt Wladimir Putin und den Chinesen zu – na und? Und Donald Trump lebt eigentlich nur vom monotonen „America first“ und davon, sich mit anderen Alphatieren anzulegen – die Zwischenwahlen im Herbst werden es lohnen. Kollateralschäden wie eine sich ändernde Weltordnung – na und?

Der Egoismus der Alphatiere und ihre Na und?-Politik: Selten waren sie so ausgeprägt. Und selten war ihnen die Welt so ausgeliefert. andreas.schwarz

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