Aktueller Ratgeber für Wahlkämpfer
Je peinlicher oder dämlicher Sie sich vor der Kamera anstellen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, ausgestrahlt zu werden.
„Und wenn ihr mich wählt, werde ich über diesen Fluss eine Brücke bauen lassen“ grölte der Spitzenkandidat einer tropischen Bananenrepublik in die Menge. „Aber da ist doch gar kein Fluss“ hallte es zurück. „Ach so? Dann werde ich einen Fluss eben herleiten lassen“ war seine schlagfertige Reaktion, und hier nun weitere aktuelle Ratschläge für Wahlkämpfer: Bei Wahlkampfreisen sollte ihr Spin-Doktor oder Schmähtrainer, wie dieser hierzulande auch heißt, dafür sorgen, dass jeweils vor Ort ein Baby, ein Hund und ein paar Gummistiefel bereit stehen. Als „Kandidat der Herzen“ (Wahlkampf-Plakattext) herzen Sie vor der Fernseh-Kamera zuerst das Baby, dann den Hund (aus hygienischen Gründen in dieser Reihenfolge) und fragen Sie schließlich nach Hochwassergeschädigten, um ein wenig auch in Gummistiefeln herumstapfen zu können, solange die Kameras laufen. Ein paar Krokodilstränen können nicht schaden. Im „Hohle-Phrasen-Seminar“ Ihrer Partei sollten Sie folgende bewährte, leere Floskeln verinnerlichen: Ich will „aufmuntern“, „thematisieren“, „versachlichen“, „auf Menschen zugehen“ oder ich stehe für „Werte“, „Aufbruch“, „neue Wege“, usw. blablabla...
TV-Bad
Wenn Sie Ihre Vision in der Television verkünden, sitzt freilich auch der Sekretär von der Konkurrenzpartei mit Stoppuhr vor der Glotze. Sollten Sie eine halbe Sekunde länger in der „Zeit im Bild“ sein als Ihr Rivale, dann hagelt es an Protesten aus der gegnerischen Parteizentrale. Da hilft nur „Seitenblicke“ weil diese Sendung (noch) nicht der Proporz-Kontrolle unterstellt ist. Merke: Beim televisionären Adabei-Sein geht es keineswegs darum, was Sie sagen, sondern nur, dass Sie ins Bild kommen. Je peinlicher oder dämlicher Sie sich vor der Kamera anstellen, umso höher die Wahrscheinlichkeit, ausgestrahlt zu werden. Sollte Ihr „Sager“ humortechnisch nicht ankommen, liefern Sie gleich selbst den Lacher dazu mit, damit die Zuschauer kapieren, hier hätte gelacht werden müssen.
Körpersprache
Der wichtigste Körperteil im Wahlkampf sollte Ihr linker gekrümmter Zeigefinger sein. Stecken Sie ihn in die Schlaufe Ihres lässig über die Schulter geworfenen Sakkos nicht nur am Wahlplakat, sondern jedes Mal, wenn Kameras in der Nähe sind. Das wirkt „jung und dynamisch“ (Wahlkampf-Plakattext). Sollten Sie später einmal das höchste Amt im Staate anstreben wollen, verzichten Sie auf Botox-Behandlung. Denn wenn es dann heißt „das Staatsoberhaupt macht sich Sorgen“ (was bekanntlich zu seinen Amtsaufgaben gehört), erwartet man von Ihnen Sorgenfalten. Und seien Sie schließlich vorsichtig mit der schon oft gehörten Kampfansage „im Mittelpunkt der Interessen meiner Partei steht stets – der Mensch“! Denn das haben die Kannibalen auch schon gesagt.
Kommentare