In Deutschland ist der demokratische Diskurs in Gefahr

Wir glauben nicht an die Meinungsfreiheit, wenn wir sie nicht auch Leuten zugestehen, die wir verachten“, sagte der US-Intellektuelle und Aktivist Noam Chomsky einst. Nun, ob man AfD-Chefin Alice Weidel verachten will, ja, auch das darf man in einer liberalen Demokratie, bleibt jedem und jeder selbst überlassen.
Nur was der strammen Rechtsaußen-Demagogin da am Sonntag im ARD-Sommerinterview in Berlin widerfahren ist, ist nicht nur ein Tiefpunkt demokratischer Streitkultur, sondern bedient obendrein das Geschäft dieser in ihrer Gefährlichkeit nicht zu unterschätzenden Rechtspopulisten.
Aus freien Wahlen hervorgegangene Volksvertreter niederzubrüllen, lässt tief blicken in die Herzen und Hirne dieser Aktivisten, die man genauso gut in der Weimarer Republik verorten könnte.
Dass die ARD dem nicht angemeldeten Treiben tatenlos zusah, statt etwa das Interview nach Innen zu verlegen, wird wohl noch interne wie medienpolitische Konsequenzen haben. Aber das ist eine andere Geschichte.
Streitfall Migration
Damit hier keine Zweifel aufkommen: Protest, natürlich auch auf der Straße, ist ein unumstößliches Recht in einer freien Gesellschaft. Doch wer dem politisch Andersgesinnten das Wort abschneidet, endet nicht selten als Halsabschneider.
Und noch eine Klarstellung: Die teils kruden Ideen der AfD mit ihrer Frontfrau sind manchmal schwer auszuhalten, die Ansichten in Migrationsfragen tatsächlich bisweilen menschenverachtend. Ja, hier ist die politische Mitte aufgerufen dagegenzuhalten. Im Übrigen nicht nur in Deutschland.
Doch dagegenhalten heißt nicht, der Partei den Mund zuzuhalten (es sei denn, es verließen strafrechtliche Verbalinjurien denselben). Dasselbe gilt hinsichtlich des ventilierten, unsäglichen Verbotsverfahrens, dem laut den allermeisten Juristen ohnehin die Basis fehlt.
Entgegenzuhalten bedeutet: eine scharfe Auseinandersetzung mit der AfD, die zugleich auch die mehr als zehn Millionen AfD-Wähler ernst nimmt – und deren Sorgen. Wem das zu mühsam ist, der ist fehl am Platz. Wer darauf hofft, dass das rechtspopulistische Gewitter von alleine wieder abziehen wird, ist mehr als naiv. Und wer sie mit Geschrei und Verbot bekämpfen will, wird scheitern.
AfD bald stärkste Partei?
Die Parolen und die Propaganda derartiger Parteien verfangen, weil die etablierte Politik seit Jahr und Tag mit unerträglichen NLP-Stehsätzen an den Bedürfnissen und Wünschen breiter Bevölkerungsteile vorbeiregieren und -argumentieren. Die Folge: In Umfragen setzt die AfD zum Sprung auf Platz eins an.
Und Aktionen wie die vom Sonntag bedienen bloß das Narrativ von Weidel & Co.: Seht her, die ach so linken Gutmenschen, die stets die Meinungsfreiheit vor sich hertragen und „Brandmauern“ aufbauen, lassen uns nicht einmal ausreden. Und das ist ein echter Brand-Beschleuniger.
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