Ägyptens Präsident spaltet das Land im Eiltempo
Damit verfehlt die Verfassung von Anfang an ihr wichtigstes Ziel.
Kritiker des „neuen Pharao“ Mohammed Mursi demonstrieren seit Tagen auf dem Tahrir-Platz in Kairo, die Anhänger des Präsidenten wollen heute, Samstag, Hunderttausende zu seiner Unterstützung auf die Straße bringen. Zusammenstöße zwischen Islamisten und dem säkularen Lager sind nicht ausgeschlossen. Beide Seiten spüren instinktiv, dass sich in diesen Tagen die künftige Ausrichtung ihres Landes vielleicht für Jahre entscheidet.
Mursi hat vor einer Woche in einem Handstreich den Verfassungsrichtern die Kompetenz abgesprochen, über die Rechtmäßigkeit seiner Entscheidungen zu befinden, und sich damit über das Gesetz gestellt. Zugleich hinderte er die Höchstrichter daran, das umstrittene Verfassungskomitee aufzulösen, in dem die Muslimbrüder und die Salafisten gemeinsam über eine stramm-islamistische Mehrheit verfügen.
Diese Mehrheit hat jetzt in einer Marathonsitzung bis zum Morgengrauen ihren Entwurf für ein neues, islamistisch geprägtes Grundgesetz durchgewunken. Unabhängig davon, wie viele heikle Artikel es tatsächlich enthält – die liberalen Gruppierungen Ägyptens und die Christen finden sich in dem Text jedenfalls nicht wieder. Sie haben das Komitee schon seit Wochen boykottiert.
Ziel verfehlt
Damit verfehlt die Verfassung von Anfang an ihr wichtigstes Ziel, nämlich die tragfähige Grundlage für ein Zusammenleben aller Ägypter zu bilden.Mursi behauptet, er wolle mit seinen Maßnahmen die Revolution retten und diskreditiert die Höchstrichter als unzuverlässige Büttel des Mubarak-Regimes. Während der Präsident auf diese alte Gefahr verweist, erschafft er selbst eine neue – er spaltet die Gesellschaft und setzt Schritte in Richtung eines autoritären Systems.
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