Die Welt staunt: Türkei senkt Zinssatz - trotz einer Inflation von 80 Prozent

Die Welt staunt: Türkei senkt Zinssatz - trotz einer Inflation von 80 Prozent
Nach Präsident Erdoğans Aufruf griff die türkische Zentralbank auf eine nicht ganz nachvollziehbare Maßnahme zurück.

Die türkische Zentralbank hat den Zinssatz von 14 auf 13 Prozent gesenkt - obwohl die Inflation bis zu 80 Prozent beträgt. Die Zinspolitik folgt damit den Ansichten des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, die auch Zentralbank-Gouverneur Şahap Kavcioğlu vertritt. 

Es ist die erste Zinssenkung seit Dezember 2021, nachdem die Zentralbank im vergangenen Jahr mehrfach den Zinssatz reduziert hatte. Diese Maßnahme wurde nach Erdoğans Forderung nach möglichst niedrigen Kreditkosten ergriffen. Der 68-Jährige glaubt, niedrige Zinsen könnten das Wirtschaftswachstum, Investitionen und Exporte ankurbeln. Dies widerspricht der Meinung von Ökonomen, die keine Zweifel daran haben, dass höhere Zinsen die Inflation senken können. Deshalb haben Zentralbanken zuletzt auf der ganzen Welt die Zinsen erhöht.

Lira unter Druck

Die türkische Lira geriet nach der überraschenden Entscheidung zu US-Dollar und Euro deutlich unter Druck. So stieg der Dollar auf über 18 Lira und notierte damit nur knapp unter dem Rekordstand vom Dezember 2021. Die Kurse von türkischen Staatsanleihen gaben merklich nach.

Die Inflation war im Juli auf 79,6 Prozent gestiegen. Nach ökonomischer Lehrmeinung wären somit deutliche Zinserhöhungen angesagt. Die Ursachen für die hohe Inflation sind vielfältig. Seit längerem sorgt die schwache Landeswährung für Preisauftrieb, da sie die in die Türkei importierten Güter wechselkursbedingt verteuert. Hinzu kommen Probleme in den internationalen Lieferketten, die Vorprodukte teurer machen. Der Krieg in der Ukraine hat die Preise für Energie und Lebensmittel verteuert.

Umstrittener Bankchef

Experten halten aber auch Zentralbank-Gouverneur Kavcioğlu für mitverantwortlich für die höchste Inflation in der Türkei seit einem Vierteljahrhundert. Der Mann, der letztes Jahr das Ruder der Bank übernahm, begann im September mit der Lockerung der Geldpolitik und senkte die Zinsen von anfangs 19 Prozent immer wieder nach unten. Die Zinssätze waren bis Donnerstag seit Dezember unverändert bei 14 Prozent geblieben.

Laut Finanzminister Nureddin Nebati, den Erdoğan zum Ende des vergangenen Jahres ins Amt bestellt hatte, verzeichnete die Zentralbank in den letzten Wochen einen starken Anstieg ihrer Devisenreserven: Diese sollen durch Zuflüsse ausländischer Regierungen unterstützt worden sein. Manche Beobachter glauben, dass dies Kavcioğlu dazu veranlasst haben könnte, die Zinsen erneut zu senken - obwohl die Kassen der Bank nach Schätzungen von Goldman Sachs rund 61 Milliarden Dollar im Minus bleiben, wenn Verbindlichkeiten gegenüber anderen Banken berücksichtigt werden.

Notenbank unter Erdoğans Druck

Erdoğan ist allerdings ist ein Gegner hoher Zinsen. Er hat immer wieder Druck auf die Notenbank ausgeübt und zuletzt eine Zinssenkung angekündigt. Erdogan möchte mit niedrigen Zinsen die Binnennachfrage und damit das Wirtschaftswachstum ankurbeln.

Das soll ihm Stimmen bei der Präsidentschaftswahl bringen, die im kommenden Jahr stattfindet. 

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