Meteorologe über Klimakrise: „Fakten sind schon schlimm genug“

Özden Terli, 1971 in Köln geboren, ist Meteorologe und Wetter-Moderator beim deutschen ZDF. Besonders bekannt ist er dafür, auch oder gerade in der Wetterberichterstattung zu sagen: “Das ist die Klimakrise und das sind ihre Folgen.“
Für viele gilt er deshalb als Vorbild, für andere wiederum ist er ein Hassobjekt. Mit dem KURIER sprach der Moderator darüber, warum Klima und Wetter zusammengehören, über den Vorwurf des Aktivismus und warum sein türkischer Name von einigen als besonders provokant empfunden wird.

KURIER: Herr Terli, wann kam für Sie der Zeitpunkt, an dem Sie dachten: Ich möchte nicht mehr das Wetter moderieren, ohne auch die Klimakrise zu erwähnen?
Özden Terli: Ich wurde zuletzt gefragt, wann ich meine erste Sendung hatte. Das war im Januar 2014. Das Jahr war auch schon so warm. Und seitdem ist es rapide gestiegen. Das konnte man gar nicht mehr herauslassen. Klima und Wetter gehen ineinander über. Darüber muss man selbstverständlich berichten. Wenn man das nicht mit einbezieht, ist doch nur die Hälfte der Geschichte erzählt, oder nicht?
Aber gerade deshalb wird Ihnen immer wieder Aktivismus vorgeworfen.
Genau diese Begriffe, diese Kampfbegriffe, Aktivismus und Alarmismus oder Klimahysterie, sind Versuche, diejenigen, die darüber berichten, stumm zu schalten. Das ist eigentlich ein Eingriff in die Berichterstattung. Wer mir mit Alarmismus kommt und nicht sieht, dass innerhalb von 30 Jahren das Eis in der Arktis rasant weniger wird, hat sich wahrscheinlich einfach nicht damit beschäftigt. Das ist aber nicht das Problem der Journalisten, der Meteorologen oder der Wissenschaftler. Wir müssen selbstverständlich weiter darüber reden. Sich davon einzuschüchtern zu lassen, ist ein absolutes No-Go. Und wenn wir schon beim Alarm sind, nicht Alarmismus: Der Alarm steckt in den Daten. Es reicht, diese darzustellen und die Zusammenhänge journalistisch einzuordnen.
Was müsste passieren, damit der Ernst der Lage in der Mehrheit der Gesellschaft ankommt?
Man muss diese Kommunikation fortführen. Das gilt natürlich vor allem für die Politik und die Medien, die dieses Thema nicht mit Verzicht und negativen Dingen besetzen dürfen. Die Fakten sind schon schlimm genug. Man muss den Menschen nicht zusätzlich Angst machen, dass man ihnen irgendetwas wegnimmt. Man muss die Klimachancen herausarbeiten. In einer Stadt, in der kein Öl und keine Kohle mehr verbrannt werden, ist die Luft auch besser.

Hat die Klimakrise Ihrer Meinung nach ein Kommunikationsproblem?
Es ist dringend nötig, dass der Journalismus sich neu aufstellt. Man muss in eine Richtung gehen, wo man darüber häufiger redet und vielleicht auch kreativer. Vielleicht muss man einfach neue Wege gehen. Aber es wäre überhaupt gut, wenn man diese Debatte so breit wie möglich führen würde. Bisher habe ich allerdings nicht den Eindruck, dass dies geschieht.
Man hat oft den Eindruck, dass das Klimathema von einer homogenen Gruppe besetzt ist. Als jemand mit Migrationshintergrund und Sohn türkischer Gastarbeiter sind sie auch eher eine Ausnahme. Mangelt es Diversität?
Natürlich muss man viel breiter in die Gesellschaft hinein. Da ist eben die Aufklärung notwendig. Und da ist wieder der Journalismus gefragt, und die Politiker, die ihre Verantwortung übernehmen müssen, um die Klimachancen herausarbeiten, anstatt den Menschen noch zusätzlich Angst zu machen. Denn, wenn man Angst hat, dann versucht man das Problem wegzuschieben. Man versucht neue Ausreden zu finden, um es nicht anzuerkennen.
Spielt Rassismus eine Rolle bei Diffamierungen gegen Ihre Person?
Ja, durchaus. Da ist alles ineinander verwoben: Rassismus, Klimaleugnung und Wissenschaftsfeindlichkeit. Offenbar ist es für manche besonders provokant, wenn ich mit einem türkischen Namen vor der Kamera stehe und den Leuten sage: Ja, das Wetter ist mittlerweile aufgeladen von jahrzehntelanger Verschmutzung unserer Atmosphäre. Das ist die Realität und das hört ja auch nicht auf. Die Extremwetter nehmen zu, werden stärker und das ist kein neuer Zustand, sondern ein sich weiter verstärkender Prozess. Und als Meteorologe kann ich nichts anderes sagen, als genau diese Zusammenhänge zu erklären. Und wenn ich dann sage, es ist auf Kohle, Öl und Gas zurückzuführen, dann ist das kein politisches Statement, sondern die Ursache. Wer das politisiert, hat selbst eine Agenda.
Wie geht es Ihnen damit, wenn bei den immer stärker werdenden Auswirkungen der Klimakrise, wie Fluten oder Bränden, das Argument kommt: „Das gab es schon immer“?
Es sind Pseudo-Argumente. Aber wenn so etwas kommt, dann muss man eben mit Fakten dagegen arbeiten. Etwas anderes kann man nicht machen. Das ist unsere Aufgabe als Wissenschaftler und Journalisten, insbesondere der Meteorologen. Denn wir haben die Daten und die Veränderungen im wahrsten Sinne des Wortes auf dem Schirm, auf unserem Computer, quasi Klimakrise live. Wie kann es sein, dass wir darüber nicht berichten sollen?
Kommentare