EsRap: “Rap hören ist wie Zeitung lesen”

Wenn Esra und Enes Özmen durch den Brunnenmarkt spazieren, müssen sie alle paar Meter Halt machen. Hier mal die Hand reichen, dort mal Umarmungen austauschen. Alle kurz fragen, wie es denn geht. Im 16. Bezirk sind die beiden aufgewachsen. Hier kennt man sie. Hier sind sie zu Hause.

Sie machten Ottakring sogar mal zur Hauptstadt von „Tschuschistan“. 2019 brachten sie ein gleichnamiges Album heruas. Als Österreicher oder Türken, die Familie der beiden stammt aus der Türkei, können sich die beiden nur schwer identifizieren. Sie sehen sich als Tschuschen, bezeichnen sich in ihren Songs oft selber so. “Der Tschusch ist immer da. Fremdenhass. Fremdenangst. Ist da keiner da?”, sangen sie in ihrer ersten offiziell veröffentlichten Single “Der Tschusch ist da”, die im Jahr 2016 erschien.
Kunst darf viel
Ob der Begriff nicht abwertend ist? “Natürlich”, sagen die beiden im KURIER-Gespräch. “Aber es geht darum, die Macht über diesen Begriff zurückzuerobern”, so Esra Özmen. Wenn jemand sie auf der Straße so bezeichnen würde, wäre das nicht okay. In der Kunst könne man aber mit vielem spielen, finden die beiden.
Seit über einem Jahrzehnt mischt das Geschwisterduo die heimische Rap-Szene auf. Politische Texte und Identitätsfragen spielen dabei immer eine große Rolle. „Ich höre selber auch viel Rap, weil man einfach sehr viel mitbekommt. Auch, was gerade so los ist. Im Grunde ist Rap hören, wie Zeitung lesen”, sagt Esra Özmen. Alles, was sie und ihren jüngeren Bruder beschäftigt, findet auch in ihrer Musik Platz - vom Aufwachsen als Arbeiterkind, dem Gefühl fremd zu sein bis zum Strafzettel bekommen und Tempo 30 in Ottakring.
Raus aus der Wohlfühlzone
In ihrem neusten Album “Mamafih” probiert das Duo einiges Neues und wagt sich aus ihrer Wohlfühlzone heraus. Bisher hörten sie die Alben des Duos folgendermaßen an: Sie rappt. Er singt. Die Texte oft sind zweisprachig, deutsch-türkisch gemischt. Die Klänge sind modern, mit einer Mischung aus Arabesk - einer türkischen Musikrichtung, die oft sehr gefühlvoll ist, in der es überwiegend ums Leiden, unerfüllte Träume oder die Liebe geht. Deutschrap trifft auf emotionsgeladene, orientalische Klänge.
In Mamafih rappt aber Enes und Esra singt. Und einige Lieder sind sogar komplett auf Türkisch, wie etwa "Aman" oder "Dakikan var". Ein Wagnis für die beiden, das sich durch die Pandemie ergeben habe. “Es war eine emotionale Zeit. Man konnte Sachen, die man sonst verdrängt hat, nicht mehr verdrängen. Es kam alles hoch”, erklärt Esra Özmen. Und wenn bei ihr Emotionen hochkommen, passiere das vor allem auf Türkisch. “Vieles, was auf Deutsch kitschig klingt, oder mir so vorkommt, ist es auf Türkisch nicht”, erklärt die Rapperin.
Ungewohnt für österreichische Ohren
Gerade auf dieser Ebene sei das Album auch ein Wagnis. Denn die Chance, mit solchen Liedern, auf Mainstream Sendern gespielt zu werden, sei geringer. “Die österreichischen Ohren sind kaum andere Klänge gewohnt, ob jetzt türkisch oder serbisch. Und diejenigen, die es dann doch schaffen, hören sich meist sehr verwestlicht an”, findet Enes Özmen. Oft fehle der Mut zum Anderssein.
Für EsRap kommt alles andere gar nicht in Frage.
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