Erstes Denkmal für Balkanrouten-Tote enthüllt

Erstes Denkmal für Balkanrouten-Tote enthüllt
Die 41 Grabsteine in Bosnien-Herzegowina sollen als "Mahnmal für Opfer der Festung Europa" dienen.

Das erste Denkmal für verstorbene Geflüchtete auf der Balkanroute, eine gepflanzte Baumreihe zu deren Ehren und 41 neue Gräber auf zwei neu renovierten Friedhöfen wurden am Wochenende in Bosnien und Herzegowina von der österreichischen Organisation SOS Balkanroute enthüllt. 

Bei den Gräbern in den bosnischen Grenzstädten Bijeljina und Zvornik handelt sich um die Schutzsuchender, die im Grenzfluss Drina zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien ertrunken sind. Deren Überreste wurden aus dem Fluss geborgen, was in den seltensten Fällen passiert. "Unsere Aktivitäten betreffen ja nur die vier Grenzstädte Bijeljina, Bratunac, Janja und Zvornik. Alleine hier sprechen wir von 60 Toten im Zeitraum von 2018 bis 2024, die Dunkelzahl ist natürlich viel höher", sagt Nihad Suljić, Initiator und Aktivist, der sich seit Jahren mit Vermissten und Toten im bosnisch-serbischen Grenzgebiet befasst.

Alle Toten waren jünger als 30 

Die Schutzsuchenden wurden unter "N.N" (No Name) begraben. "Alle Personen waren im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und einige sogar jünger, darunter auch Kinder. Mir hat das Ganze auch nach den Obduktionen keine Ruhe gelassen, sodass ich beschlossen habe, alle DNA-Proben lebenslang aufzuheben, auch wenn ich das gesetzlich nicht müsste. Ich fühle mich aber gegenüber dem hippokratischen Eid und meinem christlichen Glauben verantwortlich", sagte der Pathologe Vidak Simić anlässlich der Kommemoration, der auch die lokale Bergrettung beiwohnte, die die Leichen aus dem Fluss holt.

"Meine Arbeit ist zwar offiziell getan, aber eigentlich nicht beendet, bis Angehörige ihre Liebsten identifizieren. Früher hatten wir im Durchschnitt zwei Fälle von Toten im Fluss jährlich. Seit 2018 steigt diese Zahl stetig", erklärte Simić.

Die grüne Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo, Petar Rosandić von SOS Balkanroute, Marcel Leuschner von der Diakonie, Roswitha Feige vom Pfarrnetzwerk Asyl und der Aktivist Mahdi Rezai vor dem ersten Denkmal für Verstorbene auf der Balkanroute.

Die grüne Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo, Petar Rosandić von SOS Balkanroute, Marcel Leuschner von der Diakonie, Roswitha Feige vom Pfarrnetzwerk Asyl und der Aktivist Mahdi Rezai vor dem ersten Denkmal für Verstorbene auf der Balkanroute.

"Die Gräber sind eine Schande für Europa"

Vor der Einweihung der neuen Friedhöfe für Geflüchtete waren die Gräber teils zugewachsen, mit umgefallenen Holzschildern und meistens irgendwo im Abseits oder am Rande von lokalen Friedhöfen begraben. "Vor nicht mal einem Monat erinnerten viele EU-Länder an das 75-jährige Bestehen der Menschenrechte und wie stolz man auf diese Errungenschaft sei, aber hier an der Außengrenze werden diese Menschenrechte oft verletzt. Diese scheinen an den Grenzen der EU nicht zu gelten. Das ist eines Europas unwürdig - diese Gräber sind eine Schande für Europa", sagte die grüne Nationalratsabgeordnete Bedrana Ribo, die den Gedenkfeierlichkeiten beiwohnte und eine Rede hielt.

Justizministerin Alma Zadić wandte sich per Videobotschaft an Konferenzteilnehmer

Bei der anschließenden Konferenz mit Akteurinnen und Akteuren aus Bosnien, Kroatien und Serbien unter dem Titel "Gestoppte Träume an Europas Außengrenzen" war man sich einig, dass die Staaten Verantwortung übernehmen müssen und in Zukunft nicht nur ein menschenwürdiges System der Bestattung, sondern auch eine DNA-Datenbank schaffen sollten, um für Angehörige endlich Klarheit zu schaffen. 

"Dieses Projekt schafft endlich menschenwürdige Grabstätten. Ich wünsche Euch, dass die jungen Verstorbenen nie vergessen werden", wandte sich Österreichs Justizministerin Alma Zadić per Videobotschaft an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Wie viele Menschen letztendlich auf der Balkanroute verstorben sind, wird wohl nie in Erfahrung zu bringen sein. Die einzige aktivistische Forschungsplattform 4D spricht von 346 bestätigten toten Geflüchteten zwischen 2014 und Dezember 2023 alleine in den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens.

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