Vom Riechen und Räuchern
Friedrich Kaindlstorfer ist Geschäftsführer im 1. Zentrum für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) in der oberösterreichischen Gemeinde Bad Kreuzen, Absolvent der TEM-Akademie und TEM-Praktiker.
Seit Jahren beschäftigt sich Kaindlstorfer mit dem Räuchern und besuchte renommierte RäucherexpertInnen und Seminare. Er zählt zu den führenden Experten Österreichs für das Räuchern zu Gesunderhaltung, Entspannung, Anregung der Selbstheilung sowie Raumbeduftung. Seine Seminare und Workshops erfreuen sich großer Nachfrage und Beliebtheit. Doch auch für sich selbst räuchert der Betriebswirt gern und oft:
Das Räuchern hat meine Sinne geöffnet, sodass ich mein Leben genussvoller empfinde und gestalte. Je nach Anlass, Bedürfnis, Jahreszeit und Stimmung haben Räucherrituale einen Fixplatz in meinem Leben.
Die Ernährungsexpertin Claudia Nichterl fand bei einem Interview mit Friedrich Kaindlstofer heruas, wie er zum Räuchern kam, was Räuchern mit Riechen zu tun hat und warum ihn das Thema so interssiert:
Herr Kaindlstofer, was mich persönlich sehr interessiert: Wie sind Sie zum Räuchern gekommen? Gab es da ein Schlüssel-Erlebnis?
Vor ca. 8 Jahren kam ich bei einer Veranstaltung der TEM Akademie (Traditionell Europäische Medizin) mit Räuchern in Berührung und zwar im Zusammenhang mit dem Jahresrhythmus, mit der Hausreinigung und weniger als therapeutischer Ansatz. Das hat mich interessiert und ich begann zu recherchieren, dh. ich habe die Themen “riechen” und “sehen” gegoogelt. Das Ergebnis war sehr spannend: Zum Thema sehen gibt es Millionen Einträge, zum Thema riechen viel weniger!
Da wurde mir bewusst, dass unsere Gesellschaft heute sehr visuell geprägt ist. Denken wir nur an unsere Handys, die Bildschirme, schon die Kleinsten, wie mein 5jähriges Enkelkind, das kennt sich besser aus als ich – das prägt uns sehr. Im Vergleich dazu wird riechen, der Geruchssinn, nicht mehr so aktiv oder bewusst eingesetzt. Und wie mit allem, was wir nicht nutzen, wenn wir die Nase vernachlässigen, dann verstummt sie mit der Zeit. Der Geruchssinn wäre aber sehr stark in uns verankert. Schauen wir in der Geschichte zurück, unsere Vorfahren, die Jäger und Sammler haben die Nase gebraucht. Auch wir unterscheiden heute noch mit der Nase, ob ein Lebensmittel gut oder schlecht riecht und genießbar ist. Früher konnten wir mit der Nase sogar Krankheiten riechen, heute können das nur mehr Tiere.
Der zweite Grund für das Interesse am Räuchern ist meine eigene Empfindsamkeit. Ich habe einen sehr sensiblen Geruchssinn, den ich wohl in der Kindheit ausgebildet habe. Bis heute erinnere ich mich an den Geruch von frisch ausgegrabenen Karotten oder reifen Himbeeren aus dem Garten.
Aussagen wie, das riecht aber komisch…oder ich kann dich nicht riechen – sind ja auch Hinweise auf den Stellenwert vom Geruchssinn.
Definitiv, jemanden riechen können ist ein wichtiger Gradmesser für eine Beziehung oder Partnerschaft. Wenn man ganz bewußt am Nacken eines lieben Menschen riecht, wird es einem sehr, sehr angenehm vorkommen. Regelmäßig am Partner riechen, das kann ich ganz einfach tun. Diesen Nachrichtenkanal können wir bewusst einsetzen, das schärft die Wahrnehmung und im Idealfall wird man sich wieder bewusst, welch kostbaren Menschen wir haben. Und vielleicht strengen wir uns auch wieder mehr an, um selber gut zu riechen, um das Miteinander zu stärken.
Sie haben den therapeutischen Einsatz vom Räuchern angesprochen. Was kann ich mir darunter vorstellen?
Als Ernährungsberaterin kennen Sie sicher das Phänomen Heißhunger, das viele Menschen plagt. Der Duft von Vanille kann hier Abhilfe schaffen. Am besten gleich ausprobieren: Entweder eine Duftlampe mit Vanille oder ganz Einfach ein Stück auf die Räucherkohle geben. Wichtig ist, es sich bewusst machen, nicht nur wo hin stellen, sondern bewusst den Duft inhalieren. Dann transportieren die Geruchsknospen der Nase den Duft ins Gehirn, da sitzt ganz hinten das limbische System, das ist unser Ur-Gehirn, wo Hormone ausgeschüttet und Nerven angeregt werden. Das sagt dann, du hast deine Süßigkeiten schon gehabt, du brauchst nicht mehr. Zitrusfrüchte oder Grapefruit haben eine ähnliche Wirkung. Heißhunger klingt so ab.
Sehr spannend, haben Sie noch so einen Tipp auf Lager?
Räuchern kann auch den Mut stärken. Fasten, Detox, Abnehmen, weniger essen …irgendwann kommt die Phase der Mutlosigkeit. Da empfehle ich Rosmarin, der hebt die Laune. Eine einfache Übung für zuhause ist “sich selbst abräuchern”. Dazu in einer Schale Räucherkohle anzünden und darauf Alantwurzel, Rosmarin und Fichtenhard oder Weihrauch platzieren. Sobald es gut raucht, vor die Schale stellen und mit den Fingern und Händen den Rauch verteilen, am besten am späten Nachmittag und wenn möglich mit nacktem Körper.
Man kann auch Gedanken, die hochkommen, dem Rauch übergeben und weitergeben. Das unterstützt das Loslassen. Und wenn Sie möchten, zum Abschluß ein schönes Peeling in der Dusche. Dazu eine Mischung aus Meersalz, Mandelöl und Rosenblüten zubereiten. Heiß duschen, dann den Körper damit einreiben und nochmals duschen. Sie fühlen sich dann ganz leicht – wie eine Wolke.
Kann Räuchern bei Unsicherheit, Ängsten und bei den Herausforderungen durch Covid19 unterstützen?
So eine typische Beruhigungs- und Wohlfühl-Mischung wäre Rosmarin, Mädesüß, Styrax, das riecht sehr vanillig, dazu etwas Rose, ein bißchen Minze, damit es nicht zu süß wird und Fichtenharz für die Entkeimung. Für Wohn-, Arbeits- oder Seminarräume empfehle ich derzeit, regelmäßig Propolis zu verwenden. Dazu Propolis in eine Duftlampe oder in eine Wasserschale über Heizkörper geben, etwas Lavendelöl oder Lavendelblüten dazu und verdampfen lassen. Im Dampf sind dan Pheromone, Botenstoffe, die die Luft entkeimen. Wir haben auch die Herausforderung von trockener Heizungsluft, so kommt etwas Luftfeuchtigkeit in den Raum, es riecht gut und reduziert die Keimbelastung. Salbei reinigt ebenfalls sehr stark.
Kann man bei den Mischungen, bei Menge etwas falsch machen?
Eigentlich nicht, am einfachsten ist es, so viel zu nehmen, wie zwischen drei Finger passt. Aufpassen bei Styrax, das wird sonst sehr dominant. Ich lade Sie ein zu experimentieren, es gibt nichts schöneres als eigene Mischungen zu kreieren.
Ich habe vor einigen Jahren mit meiner Frau eine Räuchermischung gestaltet, weil uns aufgefallen ist, dass bei Verwandtenbesuch ein gewisses Konfliktpotential war. So haben wir gemeinsam einen Duft kreiert und beim Familientreffen aufgestellt – in einem Stövchen – unten Teelicht, oben ein Sieb, wo in einem ausgebrannten Teelicht die Duftstoffe lagen. Wir haben beiden den Eindruck, dass die Mischung die Stimmung harmonisiert. Studien bestätigen den positiven Einfluß auf Wohlbefinden und zur Reduktion von Aggressionen oder Angstgefühlen.
Und wenn Männer oft den “starke Mann” geben, fordern Sie ihn auf, gemeinsam eine Räuchermischung zu kreieren. Vielleicht meckert er anfangs etwas, wenn sie den Duft aufstellen, erklären Sie, dass es Ihnen wichtig ist und oft passiert im Unterbewusstsein eine gewisse Entspannung, gute Gespräche werden möglich. Wenn Ihre Räume gut duften, werden Alltagsprobleme weniger und Gedanken leichter. Wichtig ist aber, ernsthafte Konflikte oder Angststörungen bitte den Profis überlassen und ärztliche/therapeutische Hilfe suchen.
Faszination riechen - das ist wirklich das, was Sie antreibt. Sie haben Fichtenharz erwähnt, holt man das einfach aus dem Wald?
Fichtenharz wird im ländlichen Raum Europas bis heute verwendet. Im Gegensatz zu Weihrauch ist es kostenlos verfügbar. Fichtenharz kann jeder vom Baum nehmen, die Fichte ist immer irgendwo verletzt, gibt Harz her, mit dem Messer ein Stück abbrechen, nur ein kleines Stück, idealerweise im Sommer ernten und dann bis Weihnachten trocknen lassen. Es ist ein toller Duft, der desinfiziert und dem Volksmund nach vor schlechten Gedanken schützt und Geister vertreibt. Es wird bis heute in Rauchnacht-Räuchermischungen verwendet. Fichtenharz wurde früher als Medikament bei Atemwegserkrankungen oder als Pechsalbe zur Wundheilung eingesetzt.
Sehr interessant! Was möchten Sie zum Abschluss unseren LeserInnen mitgeben?
Das Wichtigste ist, es zu TUN. Räuchern ist wirklich sehr einfach, es gibt viele fertige Mischungen. Und bevor sie nichts tun, nehmen Sie eine Mischung. Aber schauen Sie einmal in Ihre Küche. Sie haben sicher ein Brett, einen Mörser, eine kleine Küchemaschine. Und dann schauen Sie in Ihrer Küche und probieren was aus. Sie brauchen keine synthetischen Öle oder teure Zutaten. Küchengewürze sind ein guter Start. Vanilleschote, Kardamom, Nelke, Wacholder, Rosmarin, Zimt, Weihrauch, Fichtennadeln oder Tannennadeln – alles in den Mörser und Sie haben einen wunderbaren Weihnachtsduft, der auch gesund ist.
Einfach TUN.
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